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070 - Komplott der toten Moerder

070 - Komplott der toten Moerder

Titel: 070 - Komplott der toten Moerder
Autoren: Fritz Steinberg
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beißenden Hohn in Thomas’ Stimme sehr wohl, aber er stakste auf seinen langen Beinen ungerührt hinüber und begann an seinen Kameras zu hantieren.
    Als er den Festgenommenen sah, prasselten erneut seine Fragen auf die Polizisten nieder.
    „Das ist der Bruder des Täters, völlig unwichtig, nur zu seinem eigenen Schutz vor den empörten Leuten in Whitechapel festgenommen“, gab ihm Thomas Auskunft. „Nein, mein Lieber – diesen Mann dürfen Sie nicht fotografieren. Ich sage Ihnen doch, er hat nichts auf dem Kerbholz.“
    „Wenn er nichts auf dem Kerbholz hat, wird man ihn doch fotografieren können.“
    „Sie können ihn fotografieren – aber dann müssen Sie damit rechnen, daß wir Ihre Telefonnummer vergessen und alle Tips in Zukunft nur noch Ihrer Konkurrenz zukommen lassen. Wollen Sie das?“
    Der Reporter richtete seine Kamera ohne ein weiteres Wort auf den Toten, der am Boden lag. „Was machen Sie mit dem Bruder?“ fragte er nach zehn oder zwölf Aufnahmen.
    „Ach, den schieben wir in seine Heimat ab. Ist besser so. Was soll er hier.“ Thomas knallte die Tür des Mannschaftswagens zu, bevor der Reporter knipsen konnte.
     

     

Der Mann von Scotland Yard stand fröstelnd auf dem Feld des Flughafens Heathrow. Da rollte die Maschine zum Start, die einen verwirrten, abgerissenen, ausgehungerten kleinen Mann in seine marokkanische Heimat zurückbringen sollte. Hassan – oder Raoul Marfadra, wie er sich nannte, war von Thomas gut ausgestattet worden: mit einem ordentlichen Ausreisevisum in seinem Paß, mit einer kleinen Geldsumme und einer Warnung.
    „Hören Sie mir genau zu, Marfadra“, hatte Thomas dem Marokkaner gesagt. „Ich sehe, daß Sie seelisch am Ende sind. Aber nehmen Sie folgendes zur Kenntnis: Sie werden wegen Herumlungerns ohne feste Wohnung aus Großbritannien ausgewiesen. Und weil Ihr Bruder Mohammed schwerer Straftaten überführt wurde.“
    „Aber …“
    „Nein, jetzt rede ich. So und nicht anders ist es gewesen. Wir wissen, daß Sie unschuldig sind. Wir wissen, daß Sie ebenso das Opfer dieser entsetzlichen Geschichte geworden sind wie die ermordeten Frauen. Danken Sie Miß Rachel Halwi dafür, daß wir das wissen. Aber lassen Sie sich nie mehr in Europa sehen. Auch nirgendwo sonst, wo es Neonlichter gibt. Sie verstehen mich doch?“
    Marfadra hatte ihn nur stumm angesehen und war müden Schrittes zum Flugzeug gegangen.
    Die Maschine startete. Seufzend drehte sich Scotland Yards härtester Detektiv um und ging zu seinem Wagen.
     

     
    Zur gleichen Stunde raste in Düsseldorf mit heulenden Sirenen ein Rettungswagen auf die Stelle zu, an der Rachel Halwi auf dem Pflaster lag. Sie hatte es nicht mehr ausgehalten, ihren Kopf und ihren Körper mit dem Geist einer toten Giftmörderin teilen zu müssen. Sie war aus dem achten Stockwerk ihres Hotels gesprungen.
    Zur gleichen Stunde kam ein beunruhigtes Bauernehepaar aus der Umgebung Londons in die Aufnahmestation eines Krankenhauses und behauptete, seine kleine fünfjährige Tochter Mary-Magdalene sei von einem bösen Geist besessen. Der aufnehmende Arzt ordnete Röntgenaufnahmen des Gehirns an, die jedoch nichts zutage brachten. Das Kind wurde in eine psychiatrische Klinik gebracht.
    Zur gleichen Stunde standen die Pariser Inspektoren Morricourt und Leburton erschüttert im Vernehmungszimmer eines kleinen Landgendarmerie-Postens bei Paris. Verhört wurde ihre Kollegin Denise Carson wegen Mordversuchs. Sie sprach plötzlich mit tiefer Baßstimme und behauptete, ein Mann zu sein.
    Und zu dieser Stunde, während er vom Flughafen zu Scotland Yard zurückfuhr, hörte Detektiv Superintendent Albert Thomas in seinem Kopf von neuem das widerliche Sirren. Das Rauschen von Gongs. Den schauerlichen Gesang. Zum zweiten mal spürte er in seinem Inneren die kalte, schleimige Berührung. Da war etwas, das diesmal nicht mehr wich.
    Es war ein trüber Tag, und alle Neonreklamen brannten.
     

     

Weit entfernt von allen Neonlichtern der Zivilisation, zwischen den kabylischen Bergen seiner marokkanischen Heimat, schaute ein ausgemergelter Mann stumm zum Sternenhimmel.
    Raoul Marfadra hatte Schaum vor dem Mund. Er stieß unartikulierte Schreie aus. Dazwischen flüsterten seine aufgesprungenen Lippen Worte einer uralten Sprache, von der heute kein Mensch auf der Erde mehr etwas weiß. Der tote Mörder, der sein Medium diesmal ganz ohne Neonreklamen gefunden hatte, war über zehntausend Jahre
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