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070 - Komplott der toten Moerder

070 - Komplott der toten Moerder

Titel: 070 - Komplott der toten Moerder
Autoren: Fritz Steinberg
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ging Marfadra zu einem der Fenster und betrachtete die ersten blassen Streifen der Morgenröte. Während er dastand, verlor sein Gesicht etwas von der teuflischen Schönheit.
    „Es wird ja schon Tag“, meinte er. „Das Neonlicht läßt nach … ich spüre es – Allahu akbar! Ich, muß von hier fort. Dieses Paris ist verflucht.“
    Er sah sich mit wildem Blick in der Bibliothek um, lief zur Tür, durch die Korridore und begann die leeren Zimmer wie ein Rasender zu durchstöbern. Im zweiten Stock fand er, was er suchte. Es war ein breiter Wandschrank, in dem dicht aneinandergereiht Anzüge, Smokings und andere Kleidungsstücke eines reichen Mannes hingen. Er riß eine Uniform aus dem Schrank, nahm die steife Offiziersmütze, drehte sie betrachtend vor seinen Augen hin und her und setzte sie auf. Die Kopfbedeckung paßte vorzüglich.
    Der mannshohe Spiegel zeigte ihm ein seltsames und fremdes Gesicht, aus dem die Augen fiebrig glühten. Ohne die Mütze abzunehmen, ging er ins benachbarte Bad. Er fand ein altmodisches Rasiermesser.
     

     

Etwa zehn Minuten später, als ein älterer Mann mit Zeitungstasche sein Fahrrad vor einem der zahlreichen Nebenausgänge des Schlosses anhielt, ging die Tür auf. Ein Infanterie-Oberst trat heraus. „Guten Morgen, mein Lieber“, sagte der Oberst jovial. „Sie bringen wohl die Zeitung, was?“
    „Ja, die Zeitung mon Colonel. Sie müssen ein Gast von Monsieur Longchamps sein, habe ich recht?“
    „Sein Neffe, mein Lieber, sein Neffe.“
    „Angenehm“, antwortete der Zeitungsträger bieder.
    „Sagen Sie mal, kann man sich Ihnen ein Stück anschließen? Gegend kennenlernen?“
    „Mit Vergnügen, mon Colonel. Ich muß da lang. Sie kommen irgendwo aus den Tropen, stimmt’s?“
    Inspektor Morricourt und seine Leute, die durchgefroren und verdrossen in dem Geräteschuppen hockten, richteten sich mit einem Ruck auf. Sie sahen zwei Gestalten vom Schloß weggehen. „Schnell, das Fernglas!“ befahl Morricourt. „Na, gebt schon her, das Ding.“ Er blickte kurz hindurch, setzte das Glas ab und zuckte mit den Schultern. „Ein Zeitungsträger und ein Offizier. Nichts Besonderes.“
    „Aber wir sollten sie doch wenigstens anhalten und fragen, ob sie was gesehen haben“, meinte Inspektor Leburton, der sich aus persönlichem Interesse mit Morricourts Leuten die Nacht um die Ohren geschlagen hatte.
    Morricourt schüttelte den Kopf. „Es ist noch nicht ganz hell. Wenn wir uns jetzt offen sehen lassen, verpassen wir vielleicht gerade die entscheidende Chance. Laß sie sausen.“
     

     
    Hassan Marfadra erreichte den ersten Metro-Zug. Er fuhr in die Pariser Innenstadt, wo er ein Taxi zum Gare de l’Est nahm.
    Inzwischen entdeckte die Kriminal-Assistentin Denise Carson in ihrem dunklen Verlies das Sprechfunkgerät, das ihr am Vorabend abhanden gekommen war. Es lag neben ihr am Boden. Als Marfadra in der Bahnhofshalle gerade festgestellt hatte, wann und von welchem Gleis der nächste Fernschnellzug aus Paris abfuhr, hörten Morricourt und Leburton den Bericht ihrer Kollegin. Als Marfadra in einen internationalen Fernschnellzug stieg, hatten sie eine exakte Beschreibung des Phantoms. Zu spät.
    Marfadra streifte das Schild an dem Zug mit einem uninteressierten Blick. Er wollte nur weg aus Paris. Paris-Düsseldorf-Hamburg-Kopenhagen stand auf dem Schild.
    Er suchte sich ein Abteil und zog einen Pack Zeitungen heraus, den er auf dem Weg durch die Stadt mitgenommen hatte. Balken-Schlagzeilen verkündeten:
    SEXUALSADIST SCHLÄGT WIEDER ZU
    NACH DEM BLUTBAD EIN ROMANTISCHER MORD
    DRACULA IN PARIS
    PARISER POLIZEI JAGT EIN PHANTOM
    Fast unmerklich fuhr der Zug an. Im Rauschen des Fahrtwindes und im Rollen der Räder blieb die Stadt der Gespenster hinter ihm zurück. Marfadra atmete tief durch. Er verschwendete keinen Gedanken an die Fahndung. Marfadra beschäftigte zu sehr, was in ihm selbst vorging.
    Das schauerliche Abenteuer mit Blaubart war anders ausgegangen als die blutige Nacht mit dem Massenmörder Landru. Denn Landru hatte Marfadras Körper als ein Fremder gelenkt und war am Morgen zusammengeschrumpft. Aber das, was von Blaubarts Geist nach Jahrhunderten noch übrig gewesen war, hatte sich untrennbar mit ihm verschmolzen.
     

     
    Marfadra stand auf und sah in den Spiegel des Zugabteils. Etwas von der satanischen Schönheit war aus seinem Gesicht geschwunden – jetzt, da nirgendwo mehr eine Neonröhre ihre unheimlichen Strahlen ausschickte. Und doch war es nicht mehr völlig das
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