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070 - Komplott der toten Moerder

070 - Komplott der toten Moerder

Titel: 070 - Komplott der toten Moerder
Autoren: Fritz Steinberg
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gesehen haben wollte, wie der Täter durch ein Kellerfenster des Mordhauses entkam. Die Haustür war nämlich zur Tatzeit abgeschlossen, da konnte er nicht hinaus. Die Zeugin beschrieb den Verdächtigen so genau, daß wir ein Phantombild von ihm anfertigen ließen.“
    „Kann ich dieses Bild haben?“ hakte Superintendent Thomas sofort ein.
    „Selbstverständlich. Aber ich muß Ihnen sagen, daß es kaum etwas wert ist. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß dieses Bild nach Angaben der Zeugin zwar haargenau auf einen Mörder paßte – aber der Mann ist vor mehr als sechzig Jahren zum Tode verurteilt und hingerichtet worden.“
    „Bitte wiederholen Sie“, bat Thomas leicht entgeistert.
    „Ja, es klingt absurd. Wir dachten uns sofort, daß die angebliche Zeugin irgendwo ein Bild dieses berüchtigten toten Mörders gesehen haben mußte. Dann wurde in der Nachbarschaft dieser Mord ausgeführt, und sie bildete sich ein, den Täter gesehen zu haben. Bei der Beschreibung zeichnete sie einfach das Bild des toten Verbrechers. Hören Sie noch? Hallo! Hallo, London! Sind Sie noch am Apparat?“
    „Ich bin noch hier. Wohl eine momentane Störung.“
    „Sie sehen, weshalb ich Sie offiziell anrufe; in einem offiziellen Amtsgespräch könnte ich solche Dinge kaum erwähnen, nicht zuletzt, weil ich eben nicht zuständig bin. Die Zeugin beharrt darauf, eine korrekte Aussage gemacht zu haben. Nehmen wir mal an, daß ihre Täterbeschreibung doch stimmt …“
    „Ziehen Ihre zuständigen Kollegen in Betracht, daß sie stimmen könnte?“ unterbrach ihn Superintendent Thomas sachlich.
    „Nein! Aber nehmen wir es doch einmal an. Dann hätten wir hier in Paris einen Wahnsinnigen, der in einer gelungenen Maskierung als früherer Mörder Landru herumläuft. Und dann besteht doch auch die Möglichkeit, daß er bei Ihnen in London auftaucht, um Ihren berühmtesten Frauenmörder nachzuahmen: Jack the Ripper.“
    „Möglich ist alles“, sagte Detektiv-Superintendent Thomas höflich reserviert. „Jedenfalls danke ich Ihnen, daß Sie sich die Mühe gemacht haben, mich anzurufen.“
    „Moment noch, Superintendent. Wir hatten unseren Pariser Mörder einmal fast in der Falle. Dabei hat er einen Namen genannt – vielleicht seinen wirklichen Namen: Hassan Marfadra.“
    Thomas nahm einen Kugelschreiber und notierte. „Danke, nochmals.“
    Kopfschüttelnd legte er den Hörer auf. Jack the Ripper – also wirklich! Die Phantasie dieser Pariser Kollegen wucherte üppig. Thomas überlegte, ob er sich durch einen Rückruf in Paris vergewissern sollte, vielleicht gab es dort überhaupt keinen Inspektor Leburton? Doch die Angelegenheit kam ihm auch wieder nicht wichtig genug vor. Jack the Ripper.
    Er machte das Licht aus, schloß sein Dienstzimmer ab und fuhr nachdenklich nach Hause.
     

     
    Thomas hatte etwa zwei Stunden tief und traumlos geschlafen, als er plötzlich hoch fuhr. Jack the Ripper?
    Unsinn. Nichts als Unsinn. Und doch … die Mordtaten des legendären Verbrechers von 1888 hatten sich im Osten Londons zugetragen. Und die drei sehr ähnlichen grausigen Verbrechen der vergangenen Nacht ebenfalls. Handelte es sich doch um einen Nachahmer?
    Aber das waren müßige Überlegungen. Es galt nun, zu handeln. Der Gedanke an weitere entsetzlich zugerichtete Opfer trieb ihn voran.
    Wo war doch gleich der Zettel mit diesem Namen? Mar … Mar …
    Thomas befand sich in einem Mischzustand von Erschöpfung und hellwacher Aktivität, als er aus dem Bett sprang und Großalarm gab. Doch als der erste Mannschaftswagen den Hof von Scotland Yard im Westend verließ, stand das Medium der toten Mörder bereits vor der gesuchten Tür. Das Haus lag im Osten Londons.
    Es war kaum mehr als eine sehr alte, aus schwärzlich-roten Backsteinen gebaute Baracke. Die aufgehende Tür gab den Blick auf einen winkligen vollgestellten Gang frei.
    Es roch nach Tee, Orienttabak und Räucherstäbchen.
    „Was wollen Sie?“ sagte Mohammed Marfadra in rauhem und etwas unbeholfenem Englisch.
    Das Phantom antwortete: „Darf ich hereinkommen?“
    „Aber was wollen Sie?“ Aus dieser erneuten Frage sprach das Mißtrauen des Nordafrikaners, der sich auch nach mehrjähriger Kellnertätigkeit in London noch nicht an die europäischen Sitten hatte gewöhnen können.
    „Es handelt sich um Familienangelegenheiten“, sagte der Unbekannte.
    Der Bruder des unglücklichen Hassan Marfadra musterte den anderen von Kopf bis Fuß. „Kommen Sie herein“, sagte er
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