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070 - Komplott der toten Moerder

070 - Komplott der toten Moerder

Titel: 070 - Komplott der toten Moerder
Autoren: Fritz Steinberg
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auf sie zu. Er sah, wie sie ihn entdeckte, wie sich während seines Näherschreitens ihre Augen weiteten.
    Bis sie zuletzt zu ihm entsetzt und schreckerstarrt hoch sah. Sie spürte, daß es diese dunkle Gestalt gewesen war, deren unnatürliche Kräfte sie hier herausgelockt hatten.
    Er ließ sich Zeit, als er ihr sanftes, schmales Mädchengesicht betrachtete.
    Das Mädchen blieb wie angewurzelt stehen, aber es zog vom Grauen geschüttelt den Oberkörper vor ihm zurück. Er löste ihre Hände von ihren schmalen Schultern und betrachtete ihre Knabenfigur in dem langen Abendkleid.
    „Welch eine romantische Nacht“, sagte er. „Welch eine Nacht für langsame Tanzschritte. Das Mondlicht streift so sanft die Hügel. Wenn nur diese kleinen Stimmen nicht wären, die im Dunkeln kichern. Hören Sie sie nicht? Dieses Kichern in der Luft?“
    Seine Fingerspitzen glitten über ihre Haut, Hals und Schultern, Rücken und Hüften.
    „Ein Kichern erfüllt die Luft, und Sie hören nichts! Wissen Sie, daß Sie wie Guinnevere aussehen, das Burgfräulein, das ich … Aber das ist nicht wichtig. Ein paar hundert Jahre habe ich an Guinnevere gedacht.“ Er ließ seine tastenden Fingerspitzen erneut über ihren Körper gleiten.
    Sie hielt still. Es war ihr, als müßte sie sich verzweifelt wehren, als müßte sie schreien und davonlaufen. Statt dessen erschien ein träumerisches Lächeln auf ihrem Gesicht, während die Augen weit geöffnet blieben. Raoul Marfadra legte beide Arme um sie. Er zog sie immer fester an sich. Sie gab ein angsterfülltes Stöhnen von sich.
    Noch fester. Er beugte sich über ihre Lippen, als wollte er sie küssen. Doch langsam, ohne Hast, biß er sie blutig.
     

     
    Sie fanden das Mädchen im Morgengrauen auf dem Rasen liegend. Ihr Genick war gebrochen. Doch ein träumerisches Lächeln lag noch auf ihrem sanften Gesicht. Der Grasboden um sie her sah nicht so aus, als hätte ein verzweifelter Kampf stattgefunden.
    Ein seltsames Vorkommnis blieb den schweigend zusammengedrängten Partygästen in Erinnerung: Als der hastig herbeigeholte Vorstadtgendarm mit seinem Diensthund eintraf, stemmte das Tier fünf Meter vor der Leiche alle vier Läufe in die Erde und wollte trotz Zureden und Zerren nicht näher heran. Es benahm sich, als stünde der Mörder noch immer neben seinem Opfer – unsichtbar und drohend.
    Gegen neun Uhr vormittags traf Inspektor Morricourt von der Mordkommission ein.
    „Die sieht ja fast glücklich aus“, bemerkte Inspektor Leburton, der sich wie eine Klette an Morricourt gehängt hatte. Ihn faszinierten diese Frauenmorde, obwohl er dafür überhaupt nicht zuständig war.
    „He, passen Sie ein bißchen auf, ja?“ Morricourt war beinahe rückwärts über einen schwarzhaarigen Krüppel mit schief angewachsenem Hals gestolpert, der grinsend zu ihm hoch sah. „Und gehen Sie bitte weiter!“ forderte Morricourt die Neugierigen auf. „Hier gibt es überhaupt nichts zu sehen.“
    „Wer andere nichts sehen läßt, wird selbst nichts sehen“, kam da die krächzende Stimme des Krüppels.
    „Mein Rollstuhl rollt! Wenn Sie auch so einen schönen Rollstuhl hätten wie ich, dann würden Sie viel mehr sehen, Polizist.“
    Morricourt schaute sich verärgert um. Er fühlte sich von dem feixenden Blick des Mannes im Rollstuhl irritiert. Dabei galt dieser Blick gar nicht ihm – ja, nicht einmal der Toten. Vor diesem Blick lief wie eine Filmszene noch einmal ab, was der Mann nachts von seinem Rollstuhl aus gesehen hatte …
    Eine schwarze Gestalt, die heftig atmend im Zickzack durch den mondgesprenkelten Park raste. Mit ausgebreiteten Armen in voller Wucht gegen Baumstämme knallte. Auf den Rollstuhl zukam.
    Mit einem tiefen, knurrenden Stöhnen war der Fremde stehengeblieben und hatte auf den Krüppel herunter gesehen. Er hatte eine Hand gehoben, als wollte er den hilflosen Mann töten. Und der hatte ohne Furcht darauf gewartet, weil ein Ende seines einsamen Rollstuhllebens nur geringen Schrecken für ihn besaß. Doch dann beschrieb die erhobene Hand lediglich eine graziöse S-Kurve durch die Luft: Raoul Marfadra machte eine höfische Kavaliersverbeugung. „Kleiner Gevatter …“, sagte er.
    „Großer Gevatter“, hatte der Mann im Rollstuhl geantwortet. „Warum gehst du denn schon wieder weg? Wo willst du hin?“
    Jetzt, im trüben Licht des Vormittags, nickte der Schiefgewachsene den beiden Kriminalbeamten mit spöttischem Lächeln zu. Er schaute sekundenlang zu den oberen Stockwerken des
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