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07 Von fremder Hand

07 Von fremder Hand

Titel: 07 Von fremder Hand
Autoren: Deborah Crombie
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dann Hampstead als das Dorf vor, das es einmal gewesen war, ein schattiger, stiller Ort im Grünen, wo die Luft noch frei war von den giftigen Dämpfen und dem schmutzigen Nebel, der London dort unten im Tal erstickte.
      Diese Vision stand in krassem Kontrast zum Inneren der U-Bahnstation Hampstead, der tiefsten in ganz London. Gemma fand noch einen Sitzplatz in dem überfüllten Zug, wo sie sich große Mühe gab, die hygienischen Unzulänglichkeiten des Mannes neben ihr zu ignorieren, während sie das Echo des Chors in ihrem Kopf widerhallen ließ. So groß waren die Belastungen der letzten paar Monate gewesen, dass selbst eine halbe Stunde in der U-Bahn ihr ein willkommener Anlass war, ihre Gedanken zu sammeln.
      Durch den Tod seiner geschiedenen Frau zwei Monate zuvor war Kincaid zu einem elfjährigen Sohn gekommen, von dessen Existenz er bis zu diesem Zeitpunkt nichts geahnt hatte. Seine angestrengten Bemühungen, mit dieser komplizierten Beziehung zu Rande zu kommen, gepaart mit der Schuld, die er wegen des Todes der Mutter des Jungen empfand, hatten zu erheblichen Spannungen in seinem Verhältnis zu Gemma geführt. Und dann, gerade als sie glaubte, es sei etwas Ruhe in ihre Beziehung eingekehrt, musste sie sich mit einem besonders schwierigen Fall und ihrem eigenen tiefen Gefühl der Verbundenheit zu einem der Verdächtigen auseinander setzen.
      Letzten Endes war sie nicht bereit gewesen, die Bande zu lösen, die sie und Kincaid geknüpft hatten, doch der Vorfall verunsicherte sie nachhaltig. Sie spürte die heraufziehende Veränderung, und das löste in ihr den Wunsch aus, umso fester in der Gegenwart Fuß zu fassen und weiterzumachen wie bisher.
      In Islington stieg sie aus der U-Bahn aus und ging langsam durch die vertrauten Straßen zu ihrer Garagenwohnung, während die Dämmerung sich auf den Sommertag herabsenkte. Hazel, ihre Vermieterin, passte auf Gemmas Sohn Toby auf; eine Abmachung, die Gemma ein so beschauliches Jahr verschafft hatte, wie es sich eine berufstätige allein erziehende Mutter nur wünschen konnte.
      Gemma betrat den Garten durch das Garagentor und hoffte, sie würde ihren Sohn und Hazels Tochter Holly noch draußen beim Spielen antreffen. Aber auf den Steinplatten der Terrasse waren nur überstürzt zurückgelassene Spielsachen zu sehen, und aus einem offenen Fenster drang ausgelassenes Lachen an ihr Ohr.
      »Findet da etwa eine Party ohne mich statt?«, scherzte sie, indem sie zur Küchentür hereinschaute.
      »Mami!« Toby rutschte von seinem Stuhl am Küchentisch herunter, kam auf sie zugeschossen und schlang die Arme um ihre Oberschenkel.
      Sie hob ihn hoch, um ihn zu drücken und abzuküssen; dabei fiel ihr auf, dass sie dazu mehr Kraft zu brauchen schien als noch vor einer Woche. »Du hast ganz bestimmt Steine gegessen«, neckte sie, kniff ihn zärtlich in die Wange und setzte ihn mit einem gespielten Stöhnen wieder ab.
      »Wir haben Knete gemacht«, erklärte Hazel, die gerade aus dem Wohnzimmer kam. »Aus Mehl, Wasser und Lebensmittelfarbe. Zum Glück ist die ungiftig, denn ich glaube, die zwei haben mehr gegessen als modelliert. Wie sieht’s mit Abendessen aus? Es gibt Käsesuppe und frisch gebackenes Brot.«
      Hazel Cavendish war eine jener Frauen, denen alles mühelos von der Hand zu gehen schien, und Gemma hatte ihren Neid längst aufgegeben und durch uneingeschränkte Bewunderung ersetzt. »Käsesuppe liebe ich über alles«, sagte sie, »aber« - sie warf einen Blick auf die Kinder, Toby, der darauf bestand, dass sein fleckiger grüner Kneteklumpen ein Dinosaurier sei, und Holly, die ebenso unerschütterlich behauptete, es handle sich um eine Katze - »die Kleinen scheinen sich vorläufig noch ganz wohl zu fühlen. Würde es dir was ausmachen, wenn ich vorher noch ein bisschen Klavier übe?«
      »Nimm dir ein Glas Wein mit«, befahl Hazel. Sie nahm eine Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank und schenkte Gemma ein Glas ein.
      Gemma ging damit ins Wohnzimmer und bahnte sich einen Weg durch die überall verstreut liegenden Spielsachen, vorbei an den abgenutzten und durchgesessenen Polstermöbeln zu dem Klavier, das an der hinteren Wand stand. Es war ein altes Instrument, nicht gerade im allerbesten Zustand, aber Gemma war dankbar, dass sie überhaupt etwas hatte, worauf sie spielen konnte. In ihrer winzigen Wohnung war gewiss kein Platz für ein Klavier, selbst wenn sie sich eines hätte leisten können.
      Sie setzte sich auf den
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