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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche
Autoren: Elizabeth George
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er auf dem Gartenweg, der sich von der Einfahrt zur Küchentür wand, Schritte hörte. Er sah hoch, bereit, »Einen recht schönen guten Morgen« zu wünschen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er Gabriella Patten erblickte - zum erstenmal.
    Gähnend und ein wenig stolpernd kam sie mit offen flatterndem Morgenmantel den unebenen Backsteinweg herab. Unter dem Morgenmantel war sie nackt.
    Er wußte, er hätte sich abwenden sollen, aber der Anblick von schwarzer Seide und heller Haut bannte ihn. Und was für eine Haut sie hatte, den Blütenblättern der »Granny's Nightcap«-Rose gleich, weiß wie Entendaunen, zartrosa gesäumt. Er starrte sie an und sagte: »Jesus!« Es war so sehr Danksagung wie Ausdruck der Überraschung.
    Erschrocken zog sie hastig den Morgenmantel um sich. »Du meine Güte, ich hatte keine Ahnung ... « Sie legte drei Finger an ihre Lippen und lächelte. »Es tut mir wirklich leid, aber ich habe nicht damit gerechnet, jemanden zu treffen. Und schon gar nicht Sie. Ich dachte, die Milch käme immer bei Morgengrauen.«
    Er war schon im Rückzug begriffen. »Nein. Nein«, sagte er.
    »Immer um diese Zeit. Hier kommt sie immer so gegen zehn.«
    Er hob die Hand an seine Schirmmütze, um sie tiefer ins Gesicht zu ziehen, das wie Feuer brannte. Aber er hatte die Mütze an diesem Morgen gar nicht aufgesetzt. Vom ersten April an trug er nie eine Mütze, ganz gleich, wie das Wetter war. Er konnte also nur wie ein Dorftrottel dastehen und an seinem Haar zupfen.
    »Mir scheint, ich habe über das Landleben noch eine ganze Menge zu lernen, nicht wahr, Mr. -?«
    »Martin«, sagte er. »Das heißt, Snell. Martin.«
    »Aha. Mr. Martin Snell Martin.« Sie trat hinter dem Zaun hervor, der zwischen Einfahrt und Rasen verlief. Sie bückte sich - er senkte den Blick - und öffnete den Deckel des Milchkastens.
    »Oh, wunderbar. Vielen Dank.« Und als er sich ihr wieder zuwandte, hatte sie die Milchflasche herausgenommen und drückte sie im V-Ausschnitt ihres Morgenmantels zwischen die Brüste. »Kalt«, sagte sie.
    »Aber es ist Sonne angesagt«, entgegnete er wacker. »Bis Mittag kommt sie sicher raus.«
    Sie lächelte wieder, und ihre Augen schimmerten weich. »Ich meinte die Milch. Wie halten Sie sie so kühl?«
    »Oh. Der Wagen. Ich habe ein paar Behälter, die extrastark isoliert sind.«
    »Versprechen Sie mir, daß ich sie immer so bekomme?« Sie drehte die Flasche, so daß sie noch tiefer zwischen ihre Brüste glitt. »So kalt, meine ich.«
    »Aber ja. Klar. Kalt«, stammelte er.
    »Vielen Dank«, sagte sie. »Mr. Martin Snell Martin.«
    Danach sah er sie für gewöhnlich mehrmals in der Woche, aber nie wieder bekam er sie in ihrem Morgenmantel zu Gesicht. Nicht, daß er eine Auffrischung seiner Erinnerung an diesen ersten Morgen nötig gehabt hätte.
    Zufrieden mit seinem Aussehen, stellte Martin den Rückspiegel wieder richtig ein. Auch wenn sein Haar nicht voller war als vor Beginn der Behandlung, war es doch, seit er das Spray benutzte, längst nicht mehr so flusig. Er kramte hinten im Wagen nach der Flasche, die er stets am stärksten kühlte. Er wischte die Feuchtigkeit ab und polierte den Deckel aus Silberfolie an seiner Hemdbrust, bis er glänzte.
    Dann trat er durch das Tor in die Einfahrt. Ihm fiel auf, daß es nicht abgeschlossen war, und er sagte dreimal leise: »Tor, Tor, Tor« vor sich hin, um sich einzuprägen, daß er sie darauf aufmerksam machen wollte. Man konnte das Tor zwar nicht abschließen, aber das war kein Grund, es Eindringlingen noch leichter zu machen, sie in ihrer Zurückgezogenheit zu stören.
    Er hob den Deckel des Milchkastens hoch, um die Flasche für diesen Tag hineinzustellen, dann hielt er inne. Er runzelte die Stirn. Da stimmte etwas nicht.
    Die Milch von gestern war nicht abgeholt worden. Die Flasche war warm, und die Feuchtigkeit, die sich auf dem Glas niedergeschlagen hatte und zum Boden der Flasche hinuntergeronnen war, war längst verdunstet.
    Nun ja, dachte er zunächst, ein flatterhaftes Ding, unsere Miss Gabriella. Sie ist weggefahren, ohne wegen der Milch Bescheid zu geben. Er nahm die Flasche vom Vortag und klemmte sie unter den Arm. Er würde die Lieferungen einstellen, bis er wieder von ihr hörte.
    Er war schon auf dem Rückweg zum Tor, da fiel es ihm wieder ein. Das Tor. Offen, dachte er und verspürte einen Anflug von Besorgnis.
    Langsam ging er zum Milchkasten zurück. Vor dem Gartentörchen blieb er stehen. Ihre Zeitungen hatte sie auch nicht
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