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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche
Autoren: Elizabeth George
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blockte sie Martins Gesprächsangebote niemals ab. Immer blickte sie ihn, leicht vorgeneigt, mit ermutigendem Lächeln an, während sie mit erhobener Hand aus der Kalesche winkte, in der sie auf ewig zu ihrer Krönung fuhr.
    Natürlich sagte Martin der Queen nicht alles. Sie wußte von Lees hingebungsvollem Glauben an die Kirche der Wiedergeborenen und Erretteten. Er hatte ihr in aller Ausführlichkeit und mehr als einmal geschildert, wie ihm nun die Religion seinen einst gemütlichen Feierabend vermasselte. Sie wußte von Dannys Job bei Tescos Supermarkt, wo der Junge dafür zu sorgen hatte, daß von den Erbsen bis zu den Linsen nichts in den Regalen fehlte, und auch von dem Mädchen aus dem Teeladen, in das der Junge sich vergafft hatte. In der letzten Woche hatte Martin, obwohl ihm dabei ganz heiß geworden war, mit der Queen sogar über seine verspäteten Bemühungen gesprochen, seinen Sohn aufzuklären. Wie hatte sie gelacht - und Martin hatte unwillkürlich mitlachen müssen -, als er ihr geschildert hatte, wie er die antiquarischen Bücher in Greater Springburn durchgesehen hatte, um irgend etwas über Fortpflanzung zu finden, und statt dessen auf eine Darstellung von Fröschen gestoßen war. Er hatte sie seinem Sohn zusammen mit einem Päckchen Kondome geschenkt, das er seit ungefähr 1972 in seiner Kommode liegen gehabt hatte. Das war zur Einleitung eines Gesprächs ganz nützlich, hatte er gedacht. Die Frage:
    »Wozu die Frösche, Dad?« würde unweigerlich zu einer Erörterung der, wie sein eigener Vater es genannt hatte, »ehelichen Umarmung« führen.
    Nicht daß er und die Queen sich über die eheliche Umarmung als solche unterhalten hätten. Martin hatte viel zuviel Respekt vor der Queen, um je über eine Andeutung zu dem Thema hinauszugehen.
    Doch seit vier Wochen versiegten ihre Gespräche stets auf dem Höhepunkt der Water Street, wo sich nach Osten die Hopfenfelder dehnten und auf der Westseite das grasbewachsene Land zu einer Quelle abfiel, an der Wasserkresse wuchs. Hier pflegte Martin nämlich seit neuestem sein Milchauto auf dem schmalen Streifen am Straßenrand anzuhalten, um ein paar Minuten in schweigender Betrachtung zu verbringen.
    An diesem Morgen hielt er es nicht anders. Er schaltete den Motor nicht aus. Er blickte nur auf das Hopfenfeld hinaus.
    Die Stangen standen seit mehr als einem Monat, lange Reihen schlanker Kastanienstämme, sieben bis acht Meter hoch, von denen Drähte kreuz und quer zur Erde hinunterliefen. Die Drähte bildeten ein rautenförmiges Gitterwerk, an dem die Hopfenpflanzen sich in die Höhe ranken würden. Man hatte, wie Martin jetzt beim Blick über das Feld sah, die Pflänzchen endlich angebunden. Irgendwann gestern vormittag waren die Arbeiter aufs Feld hinausgegangen und hatten die jungen Reben an den Drähten hochgewunden. Den Rest würden die Hopfenpflanzen in den kommenden Monaten selbst besorgen und, der Sonne entgegenstrebend, schon bald lange, schattig-grüne Tunnel bilden.
    Martin stieß einen Seufzer tiefer Befriedigung aus. Von Tag zu Tag würde der Anblick schöner werden. Die Luft zwischen den Reihen heranwachsender Pflanzen würde kühl sein, und dort würde er Hand in Hand mit seiner Liebsten wandern. Im Frühling - gestern also - hätte er ihr gezeigt, wie man die zarten Ranken an den Drähten befestigte. Sie hätte auf der feuchten Erde gekniet, den weichen blauen Rock um sich ausgebreitet wie vergossenes Wasser, ihr festes junges Gesäß auf die nackten Fersen gebettet. Mit der Arbeit nicht vertraut und dringend darauf angewiesen, Geld zu verdienen, um ihrer Mutter, der Witwe eines Fischers aus Whitestable, die acht hungrige Mäuler stopfen mußte, unter die Arme zu greifen, würde sie sich verzweifelt mit den Ranken abmühen, nicht wagend, um Hilfe zu bitten, da sie fürchtete, damit ihre Unwissenheit zu verraten und das einzige Einkommen zu verlieren, das ihre hungernden Geschwister außer dem Geld hatten, das ihre Mutter mit Spitzenklöppeln mühsam verdiente und das ihr Vater rücksichtslos vertrank. Sie trüge eine weiße Bluse mit kurzen Puffärmeln und tiefem Halsausschnitt, und wenn er, der bärenhaft starke Vorarbeiter, sich hinunterbeugte, um ihr zu helfen, sähe er auf ihren Brüsten die winzigen Schweißtropfen, die nicht größer sind als Stecknadelköpfe, und das heftige Wogen ihres Busens, das ihm zeigt, wie sehr seine Nähe und seine Männlichkeit sie erregen. Er faßt ihre Hände und zeigt ihr, wie man die Hopfenranken um die
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