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0688 - Das Hohe Volk

0688 - Das Hohe Volk

Titel: 0688 - Das Hohe Volk
Autoren: Claudia Kern
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gerissen worden oder befand er sich einfach nur an einem anderen Ort?
    Wie in der Welt des Spinnenreiters, dachte sie. Auch da sind wir getrennt worden. Man hat uns doch wohl nicht zurückgeholt?
    Aber jene Welt hatte zwei Sonnen gehabt. Hier sah sie aber nur eine.
    Sollte sie darüber erleichtert sein oder nicht?
    Nicole drehte sich langsam um sich selbst. Sie bezweifelte, dass sie Antworten auf ihre Fragen finden würde, wenn sie einfach auf der Ebene stehen blieb. Sie musste nach einem Weg zurück suchen - und nach ihrem Gefährten.
    Ihr Blick blieb an einem seltsamen Gebilde hängen, das in einer unbestimmbaren Entfernung aus der Ebene aufragte. Es sah aus wie eine Treppe, die in einem kilometerhohen Turm endete. Fata Morgana, war Nicoles erster Gedanke, aber das charakteristische Flimmern der Luft, von dem eine solche Erscheinung normalerweise begleitet wurde, fehlte.
    Das Gebilde bot eine Abwechslung auf der Ebene und war gleichzeitig der einzige Anhaltspunkt, dass es hier etwas gab, das nicht von der Natur erschaffen wurde. Aus diesen Gründen entschied Nicole, sich auf den Weg dorthin zu machen. Solange sie den Turm im Auge behielt, wusste sie wenigstens, dass sie nicht im Kreis lief.
    Die Tiere schrien wieder.
    Dieses Mal klangen sie näher.
    Nicole sah sich nervös um. In dem Abendkleid, das sie trug, stach sie wie eine Zielscheibe aus den gelblichen Farben der Ebene heraus. Das Gras war hoch genug, um ganze Raubtierrudel darin zu verbergen, ohne dass sie auch nur ein einziges Tier gesehen hätte.
    Sehnsüchtig dachte Nicole an das Waffenarsenal, das sich im Château Montagne befand. Mit einem Blaster in der Hand hätte sie sich wesentlich sicherer gefühlt.
    Während sie weiter auf den Turm zuging und dabei versuchte, ihre Umgebung ständig im Auge zu behalten, überlegte Nicole, ob sie das Kleid einfach ausziehen und nackt weitergehen sollte.
    Der Gedanke hatte durchaus seine Vorzüge, aber trotzdem verwarf sie ihn wieder. Es war möglich, dass sie Menschen aus einer fremden Kultur begegnete. Sie wollte nicht unnötig provozieren oder gesellschaftliche Tabus brechen, die sie nicht kannte.
    Die Dämmerung setzte bereits ein, als das Rauschen der Gräser lauter wurde.
    Nicole blieb misstrauisch stehen. Der Wind war nicht stärker geworden, und doch knisterte und rauschte es um sie herum.
    Nur um sie herum.
    Mit einem Fluch sprang Nicole zurück. Das Gras wurde nicht vom Wind bewegt, sondern von etwas anderem, das sich zwischen den Halmen befand.
    Es war eine Falle.
    Die Dämonenjägerin sah sich um. Was auch immer im dichten Gras lauerte, hatte sie fast umzingelt. Sie sah nur noch eine kleine Lücke, die sich vielleicht zwanzig Meter von ihr entfernt befand.
    Nicole lief los, bahnte sich einen Weg durch die eng stehenden Halme, die ihr so viel Widerstand entgegensetzten, dass sie glaubte, nicht vorwärts zu kommen. Es war, als würde sie durch Wasser waten.
    Die Lücke war nur noch wenige Meter entfernt. Aus den Augenwinkeln bemerkte Nicole etwas Braunes, das sich aus dem Gras erhob.
    Noch ein paar Schritte.
    Die Lücke schloss sich.
    Nicole prallte zurück, als ein Körper sich aus den Halmen schob, bis er sie weit überragte. Braunes zotteliges Fell bedeckte das Tier, dessen vier Beine und der Hals unverhältnismäßig lang zum Rest des Körpers waren. Es sah aus wie eine Kreuzung aus Kamel und Giraffe. Seine großen braunen Augen starrten Nicole verständnislos an.
    Um sie herum erhoben sich fünf weitere Tiere aus dem Gras. Auf jedem von ihnen saß ein Mensch mit fliehender Stirn und wulstigen Augenbrauen, der einen Speer oder ein Schwert in der Hand hielt.
    Neandertaler.
    ***
    Cylas stolperte durch dunkle Gänge. Die Kette, die von dem Eisenring um seinen Hals ausging und irgendwo hoch oben in der Decke verschwand, zog ihn unbarmherzig vorwärts. Er wusste nicht, was passieren würde, wenn er stolperte, und er wollte es auch lieber nicht herausfinden.
    Nach einer Zeitspanne, die ihm wie Stunden erschien, wurde es endlich heller. Der Gang weitete sich zu einer Halle.
    Ein scharfer, bitterer Geruch vermischte sich mit der abgestandenen Luft, die Cylas bisher geatmet hatte. Dumpfe, stampfende Laute drangen zu ihm durch. Sie klangen wie die Schritte eines Riesen.
    Was ist das?, dachte Cylas verängstigt, aber dann taumelte er auch schon in die große Halle. Nur die Kette verhinderte, dass er aus Furcht auf die Knie fiel.
    Er war umgeben von düsteren Gebilden, die sich stoßend, ächzend und kreischend auf
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