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0688 - Das Hohe Volk

0688 - Das Hohe Volk

Titel: 0688 - Das Hohe Volk
Autoren: Claudia Kern
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mal rein.«
    »Vergiss es, Pierre«, entgegnete Gérard kopfschüttelnd von der Seite. »Der Prophet ist heute nicht in der Stimmung für Prophezeiungen.«
    Der Chefinspektor wollte zu einer Erwiderung ansetzen, als sich die Tür vor ihm plötzlich öffnete. Im Rahmen stand Renoir in seinem weißen Kittel und strich sich durch die Haare.
    »Kommen Sie rein, Pierre. Ich habe auf Sie gewartet.«
    Er zog die Tür so weit zurück, dass Renoir seinen massigen Körper an ihm vorbeizwängen konnte.
    »Was ist denn jetzt mit der Leiche?«, fragte einer der uniformierten Polizisten, der enttäuscht darüber war, dass man ihn nicht in den Raum ließ.
    »Sie ist immer noch tot«, entgegnete Renoir barsch und schlug die Tür zu.
    Innen lehnte er sich dagegen und seufzte. »Ist das noch zu fassen? Normalerweise können sie nicht schnell genug wieder in ihre Büros kommen, und heute stehen sie sich wie Gaffer die Beine in den Bauch, weil sie glauben, sie könnten hier etwas verpassen.«
    »Und? Haben sie Recht?«
    Renoir hob die Schultern. »Sehen Sie selbst.«
    Der Chefinspektor ging durch den großen Raum auf einen Metalltisch zu, der in der Mitte stand und von mehreren Lampen angestrahlt wurde. Auf dem Tisch lag ein Körper, bedeckt von einem weißen Laken.
    Daneben stand ein Instrumententisch. Die Skalpelle, Sägen und Bohrer blitzten.
    Robin machte es nicht spannend. Er griff nach dem Laken und zog es mit einem Ruck von dem toten Körper.
    Einen Moment blieb er neben der Leiche stehen.
    Dann drehte er sich um und ging zu einem Telefon, das an der Wand hing. Er wählte eine Nummer, die er schon seit einiger Zeit auswendig kannte und wartete darauf, dass sich am anderen Ende jemand meldete.
    »Hier ist Chefinspektor Robin aus Lyon. Schmeißen Sie den Professor aus dem Bett und sagen sie ihm, er soll aufs Revier kommen. Er muss sich, dringend etwas ansehen.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Robin auf.
    Ein Blick auf die Leiche hatte gereicht, um ihm zu zeigen, dass dies ein Fall für Zamorra war.
    ***
    Cylas sah sich nervös im Kreis der Krieger um. Ihre bärtigen Gesichter wurden vom Schein der Lagerfeuer erhellt, aber ihren Verstand erreichte das Licht nicht - der blieb so dunkel, wie Cylas befürchtet hatte.
    Einer von ihnen, ein älterer Jäger namens Iyokul, nahm das hölzerne Modell, das der junge Krieger angefertigt hatte, vom Boden auf und betrachtete es stirnrunzelnd.
    »Ich verstehe noch immer nicht, wozu das gut sein soll«, sagte er schließlich. »Wir haben so was doch nie gebraucht.«
    Einige Männer nickten zustimmend.
    »Aber alles wäre einfacher«, entgegnete Cylas zum wiederholten Mal. »Wir könnten größere Lasten befördern, stabilere Wagen bauen, könnten schneller vom Hauptdorf in die Jagdlager gelangen. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie man es verwenden kann.«
    Iyokul stellte das Modell wieder auf den Boden und stupste es mit dem Finger an. Es rollte ein paar Zentimeter und blieb stehen.
    »Siehst du?«, versuchte es Cylas erneut. »Du stößt einmal dagegen und das reicht, um es in Bewegung zu versetzen. Du musst also im Gegensatz zu den Kufen nicht ständig Kraft einsetzen. Damit ist es leichter und schneller.«
    »Aha…« Iyokuls Stimme klang so zweifelnd, wie die Gesichter der anderen Krieger aussahen.
    »Und wie nennst du dieses Ding, das alles so einfach machen soll?«
    Cylas holte tief Luft. Dass Iyokul nicht sofort abgelehnt hatte, gab ihm ein wenig Hoffnung. Vielleicht konnte er die sturen alten Männer doch davon überzeugen, seine Erfindung an wenigstens einem Wagen auszuprobieren.
    »Ich nenne es ein Rad.«
    Iyokul räusperte sich. »Rad? Nun gut. Ein Name ist wie der andere.«
    Er sah sich kurz im Ältestenrat um und nickte, als er den Ausdruck auf ihren Gesichtern las. »Ich sehe, wir sind alle einer Meinung. Auch wenn wir keinen Sinn in deiner Idee sehen, Cylas, so glauben wir doch, dass sie den Stamm zumindest nicht in Gefahr bringen kann. Daher erlauben wir dir, dein… Rad an einem Wagen auszuprobieren, wenn wir bei Zweimond ins Jagdlager ziehen. Nimmst du diese Entscheidung an?«
    »Ja, Iyokul. Ich danke dir für dein Vertrauen.«
    Cylas kam elegant auf die Beine, nickte den anderen Mitgliedern des Ältestenrats respektvoll zu und zog sich vom Feuer zurück. Es waren nur noch wenige Tage bis Zweimond. Wenn er den Wagen rechtzeitig fertig haben wollte, musste er sich beeilen.
    Der junge Krieger ging mit vor Aufregung klopfendem Herzen durch das Dorf, bis er das Tor erreichte,
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