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0688 - Das Hohe Volk

0688 - Das Hohe Volk

Titel: 0688 - Das Hohe Volk
Autoren: Claudia Kern
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und kam mit dem Rücken zur Wand auf die Beine.
    Der Tiger lag ein Stück entfernt auf dem Boden. Auf seiner Brust kniete eine schwarz gekleidete Gestalt, deren feingliedrige Hände den Kopf der Raubkatze umklammert hielten. Eine einzige Drehung würde genügen, um dem Tierwesen das Genick zu brechen.
    Die Gestalt wandte Zamorra den Rücken zu. Ihr Kopf war unter der Kapuze eines Capes verborgen. Der Parapsychologe hörte, wie sie dem Tiger etwas zuflüsterte, verstand aber die Worte nicht.
    Vorsichtig ging er auf de beiden zu. Seine Schritte hallten durch den leeren Raum, der so groß war, dass sich seine genauen Umrisse in den Schatten verloren.
    Unwillkürlich griff Zamorra nach dem Amulett, aber seine Hand fasste ins Leere.
    Anscheinend hatte die magische Waffe die Reise nicht mitgemacht.
    Auch sein geistiger Ruf, bei dem die Silberscheibe normalerweise direkt in seiner Hand auftauchte, blieb ohne Erfolg.
    Na toll, dachte Zamorra. Ich bin waffenlos.
    Die schwarze Gestalt hob den Kopf, als sie die Schritte hörte. Sie ließ den Tiger los und kam geschmeidig auf die Beine.
    »Ich scheine eine Gewohnheit daraus zu machen, dein Leben zu retten, Zamorra«, sagte eine kultiviert klingende Männerstimme unter der Kapuze.
    Der Unbekannte drehte sich zu dem Dämonenjäger um und ließ den schwarzen Stoff in den Nacken fallen.
    »Die Frage ist nur, ob es eine gute oder schlechte Angewohnheit ist«, fuhr er fort und lächelte mit spitzen Eckzähnen.
    Zamorra sah ihn ungläubig an.
    »Fu Long?«
    ***
    »Das ist der spannendste Moment, findest du nicht?«
    »Ja, Herr.«
    »Der eine ist also ein Vampir, aber was ist mit den anderen beiden?«
    »Ihr werdet es sicher bald erfahren, Herr.«
    »Ein Mensch und ein Tier, das ihm offensichtlich feindlich gesonnen ist. Das ist ein viel versprechender Anfang.«
    »Ja, Herr.«
    »Was ist mit dem anderen Menschen?«
    »Ich… bin mir nicht sicher.«
    »Dann finde es heraus!«
    »Ja, Herr.«
    »Habt ihr den Fehler inzwischen behoben?«
    »Nein… wir… suchen noch.«
    »Sucht schneller!«
    »Ja, Herr. Wann soll ich mit den Tests beginnen?«
    »Hm, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt. Ich bin gespannt, was die drei mir zu bieten haben.«
    »Ich fange sofort an, Herr.«
    ***
    Es hätte nicht viel Sinn gehabt, sich zu wehren. Das hatte Nicole erkannt und sich widerstandslos den Anweisungen gefügt - zumindest soweit sie die gutturalen Laute und erklärenden Gesten verstanden hatte.
    Die Neandertaler bedeuteten ihr, auf eines der merkwürdigen Tiere zu steigen. Einer von ihnen sprang ab und zog an den Zügeln. Überrascht beobachtete Nicole, wie die Beine des Tiers sich zusammenfalteten wie ein Zollstock. Es schien über mindestens drei Kniegelenke zu verfügen, was erklärte, wie es sich in dem hüfthohen Gras verstecken konnte. Es war perfekt an seine Umgebung angepasst.
    Als Nicole oben saß, sprang der Neandertaler hinter ihr auf das Tier, nahm die Zügel und schnalzte mit der Zunge. Wie ein Kamel richtete sich das Reittier auf und verfiel in einen leichten Trab. Die anderen folgten.
    Der Turm schien das Ziel zu sein.
    Nicole nutzte die Zeit, um die Neandertaler vorsichtig telepathisch zu sondieren. Sie spürte keine Feindseligkeit, nur ein wenig Verwirrung über ihr Aussehen und eine dumpfe Besorgnis. Anscheinend hatten die Männer ihr nicht aufgelauert, sondern waren zufällig während der Jagd auf sie gestoßen.
    Die Dämonenjägerin fragte sich, wie ein längst ausgestorbenes Volk auf diesen Planeten geraten war. Möglicherweise waren sie einfach das Resultat einer Entwicklung, die sich parallel auf beiden Welten abgespielt hatte.
    Auf der Erde hatten sie sich gegen den schnelleren und flexibleren Cro Magnon nicht durchsetzen können, aber hier schienen sie sich wesentlich weiter entwickelt zu haben.
    Sie besaßen Schwerter, hatten gelernt, Tiere zu zähmen und widersprachen dem Klischee des dummen, aggressiven Halbaffen, der vom intelligenten Menschen ausgerottet wurde. Auch ihre Gesichtszüge wirkten weniger brutal als auf den Zeichnungen, die Nicole in Büchern gesehen hatte. Es schien, als sei der Neandertaler bei weitem nicht so schlimm wie das Image, das man ihm verpasst hatte.
    Die Sonne versank langsam am Horizont und tauchte den Turm in ein rötlich-goldenes Licht. In der Dämmerung bemerkte Nicole erst, als die Reittiere aus dem Gras heraustraten, dass sie ein Dorf erreicht hatten.
    In einem Halbkreis stand eine Reihe runder, dunkler Lederzelte mit steinernen Fundamenten, vor
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