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0677 - Yaga, die Hexe

0677 - Yaga, die Hexe

Titel: 0677 - Yaga, die Hexe
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Erwartungsgemäß fand sie eine Fackelhalterung. Sie ergriff die Fackel und setzte sie mit einem einfachen Zauber in Brand. Da sah sie Fußspuren im Staub.
    Viele Fußspuren.
    Yaga witterte. Sie stellte fest, daß die Spuren unterschiedlich alt waren, aber es gab drei, die erst vor sehr kurzer Zeit entstanden waren.
    Drei?
    Zamorra, seine Gefährtin, und…?
    Da folgte Yaga der Spur. Eine Ahnung stieg in ihr auf und ließ sie nicht mehr los.
    ***
    Die Spielerin trat vom Dunkel ins Licht. Kurz sah sie sich um, ehe sie endgültig ins Freie trat, aber niemand war in der Nähe, der beobachten konnte, wie sie den Geheimgang verließ. Sie schritt den bewaldeten Hang hinauf, bis sie den Eingang zu ihrer kleinen Grotte erreichte. Sie strich Zweige schützender Sträucher beiseite und schlüpfte hinein.
    Kaum befand sie sich im Inneren der Grotte, als es in dieser hell wurde.
    Das Licht war reine Magie, und es zeigte, was außer der Spielerin noch niemand gesehen hatte. Auf einem niedrigen steinernen Altar lag ein kunstvoll geknüpfter Teppich, der über die vordere Altarkante hinweg auch den Boden davor abdeckte. Es war einer jener Teppiche, wie sie auch in der Burg hingen, und doch etwas Besonderes. Er hätte auch als Wandbehang seine Verwendung finden können, doch die Spielerin hatte niemals daran gedacht, ihn dafür zu verwenden.
    Er gehörte hierher.
    Denn auf ihm, und auf dem flachen Altar, stand die ›Dunkle Madonna‹.
    Eine fast menschengroße, bemalte Skulptur aus einem Material, das in diesem Land kein Mensch kannte. Bis auf die dunkle Farbe, mit welcher Gesicht und Hände der Madonnenfigur bemalt waren, glich diese Skulptur der Spielerin aufs Haar.
    Der Körperbau, das Gesicht - sie glichen sich bis ins kleinste Detail. Die ›Dunkle Madonna‹ war ein perfektes Abbild der Spielerin.
    Genauer gesagt: Umgekehrt.
    Seit Jahrhunderten schon.
    Die Spielerin war in diesem ihrem Körper die wiedergeborene Inkarnation jener ›Dunklen Madonna‹. Zum wievielten Mal, konnte sie selbst nicht mehr sagen; hatte das Zählen schon vor langer Zeit aufgegeben.
    Hier, in dieser Grotte, verehrte sie ihr Abbild, das die stete Erinnerung an ihre Vergangenheit und Zukunft war. Doch es war noch viel mehr als das, es war der Born ihrer Kraft. Eine Kraft, die ihresgleichen suchte in der Welt. Eine Kraft, die von der Hexe Yaga unterschätzt wurde. Obgleich auch Yaga über eine unglaublich mächtige Magie verfügte.
    Doch die Spielerin war mehr und anders als Yaga. Sie war es, die im Hintergrund die Fäden zog und die Menschen lenkte. Sie war es, die eigentlich dafür gesorgt hatte, daß die ›Jungfrau von Orleans‹ sich gegen die Engländer stellte. Sie war es, die immer wieder in die Geschicke der Menschen eingriff und sie wie Marionetten lenkte - immer wieder, seit sie einst mit ihrer Freundin Maria Magdalena aus dem Heiligen Land floh und sich in diesem Land niederließ, das später, sehr viel später, einmal Frankreich genannt werden würde. Wiedergeboren immer und immer wieder, um eine Aufgabe zu erfüllen, von der sie selbst längst nicht mehr wußte, wer sie ihr einst gestellt hatte.
    Sie war die Reinkarnation der ›Dunklen Madonna‹. Sie war die ›Puppenspielerin‹.
    Und niemand wußte davon - außer Merlin, und ausgerechnet er, der sich anmaßte, gleich ihr mit den Geschicken der Menschen zu spielen, er hatte ihr diese Hexe gesandt.
    Er glaubte so klug zu sein, obgleich er schon zweimal damit gescheitert war, ein Bollwerk gegen das Böse zu errichten. Einmal, als der Messias die Welt der Sterblichen verlassen mußte und seine Schüler sich überall hin zerstreuten, und zum zweiten Mal, als der Heldenkönig Artus gemeuchelt wurde. Ha -Merlin! Er sah in alldem immer noch einen Sieg. Denn die Schüler des ersten Königs verbreiteten den Glauben der Menschlichkeit und Nächstenliebe, und die Ritter des Drachensohns von Britannien wurden zu einer Legende der Tapferkeit und selbstlosen Hilfe. Und doch - die Fürsten von Klerus und Adel, die sich die Tugenden der beiden Tafelrunden aufs Banner geschrieben hatten, traten diese Tugenden längst mit Füßen. Sie führten Kriege, sie segneten die Waffen. Sie preßten die Menschen in Fron und Sold, sahen zu, wie andere für sie bluteten und starben. War das der Sieg, den Merlin wollte?
    Die Spielerin lachte leise. Nein, das konnte es nicht sein. Merlin war ein alter Narr. Ein Idealist, ein Träumer.
    Die Spielerin verneigte sich vor der Skulptur, kniete auf dem Teppich nieder und
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