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0676 - Die Höhle des Grauens

0676 - Die Höhle des Grauens

Titel: 0676 - Die Höhle des Grauens
Autoren: Claudia Kern
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Moment der Prüfung ist da. Nehmt eure Plätze ein und beginnt, wenn euch die Zeit geeignet erscheint. Möge Kuang-shis Segen mit dem besten von euch sein.«
    Die Gestalten an den Wänden wiegten sich wie Bäume in einem Wind, den nur sie wahrnahmen. Wu ging zu einem der Seerosenblätter und kniete nieder, so daß er die Felsen im Rücken und seine Gegner vor Augen hatte. Er sah, daß auch Shao Yu ihren Platz einnahm und nur Tsa Mo-Ra stehen blieb und die Felszeichnungen betrachtete.
    »Benötigt mein geschätzter Kollege noch etwas Zeit, um sich mit der Kunst dieses Ortes vertraut zu machen?« fragte er sarkastisch. Der Mensch zuckte schuldbewußt zusammen und kniete vor dem letzten verbliebenen Seerosenblatt nieder. Erst als er bemerkte, daß seine Gegner Pergamentrollen vor sich ausgebreitet hatten, griff er nach seinem Lederbeutel und zog auch die eigene Zaubersammlung heraus.
    Der Zauberer verbeugte sich vor seinen Gegnern und lächelte arrogant. »Da ich der Mächtigste und Weiseste der Gelehrten bin, die hier versammelt sind«, sagte er und hörte zufrieden, wie Shao Yu knurrte, »schlage ich vor, daß der ehrenwerter Tsa Mo-Ra den ersten Angriff führt. Da es auch sein letzter sein wird, ist es nur gerecht, daß er mit der Genugtuung stirbt, es wenigstens versucht zu haben.«
    Der Mensch erwiderte die Verbeugung. »Eure Großmut beschämt mich, Wu Huan-Tiao. Ich werde mich stets daran erinnern, wenn ich bei Festen gefragt werde, wie es war, an diesem heutigen Tag zu siegen.«
    Er breitete eine Pergamentrolle aus, nahm die Feder zur Hand und stockte.
    Als wisse er nicht genau, was er zu tun hat, erkannte Wu. Aber wie konnte das sein? Immerhin galt der Mensch nicht umsonst als einer der größten Zauberer des Reiches, und Wu wußte das auch, egal, wie er mit Tsa Mo-Ra redete. Das war nur eine Taktik, mit der er seinen Gegner aus dem Konzept bringen wollte.
    Der affenköpfige Zauberer bemerkte, wie Shao Yu unruhig wurde. Auch sie schien nicht zu wissen, warum ihr Geliebter zögerte.
    Zamorra hätte ihnen sagen können, warum er wie versteinert über den Pergamentrollen mit seinen Zaubersprüchen saß, während die schwarze Tusche auf das Seerosenblatt tropfte. Er hätte ihnen sagen können, daß es eine Sache war, plötzlich eine unbekannte Sprache zu beherrschen, aber anscheinend eine ganz andere, auch die Schriftzeichen zu verstehen.
    Zamorra konnte kein Wort lesen.
    ***
    Die beiden Schwestern liefen in Me Xiangs Körper zwischen die Felsen. Sie spürten die Erschöpfung der jungen Frau ebenso wie das Nachlassen ihrer eigenen Kräfte.
    »Wir werden es in diesem Körper nicht bis zur Höhle schaffen«, klagte die Jüngste. »Was sollen wir jetzt tun?«
    Die mittlere schwieg und beobachtete, wie das merkwürdige Fahrzeug auf Gryf und den wehrlosen Zauberer zuraste. Sie hegte keinen Zorn gegen die beiden Männer. Der Schuß auf dem Boot war nicht mehr als eine Kurzschlußhandlung gewesen, die aus der Verzweiflung geboren war. Zweitausend Jahre hatte sie auf die älteste Schwester gehört, jeden ihrer Befehle befolgt und nie nach dem Sinn gefragt. Sie hatte nie eine Entscheidung treffen dürfen, und jetzt, wo sie zum ersten Mal für sich und ihre jüngere Schwester entscheiden mußte, wußte sie nicht, was sie anordnen sollte.
    »Was ist denn dein Wunsch?« fragte sie hilflos.
    »Ich will nicht, daß sie sterben. Sie haben uns nichts getan«, entgegnete die Jüngste spontan mit einem Blick auf Gryf und Zamorra.
    Das ist wahr, dachte die mittlere erstaunt. Sie sind nicht Teil unserer Rache.
    Und dann handelte die mittlere Schwester zum ersten Mal in ihrem Dasein aus eigenem, freien Willen. Mit einem kurzen Gedankenbefehl hob sie den Bann, der Gryf von seinen Kräften trennte, auf und gab Me Xiang ihren Körper zurück. Bevor sie sich jedoch mit ihrer Schwester in die Höhle zurückzog, hinterließ sie eine letzte Anweisung im Geist der Chinesin…
    ***
    Für Gryf kehrte in dieser Sekunde die Farbe in eine Welt zurück, die er in den letzten Stunden nur schwarzweiß gesehen hatte. Niemand mußte ihm sagen, daß er seine Kräfte wiedererlangt hatte; er konnte sie fühlen.
    Allerdings verschwand der heranrasende Geländewagen dadurch nicht. Blitzschnell ergriff der Druide Zamorras Hand und stolperte mit dem Parapsychologen in den zeitlosen Sprung. Kaum eine Sekunde später jagten schwere, schwarze Reifen über die Stelle hinweg, an der er sich eben noch befunden hatte.
    ***
    Lei Feng bremste scharf ab. Kurz vor dem,
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