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0671 - Der vergessene Gott

0671 - Der vergessene Gott

Titel: 0671 - Der vergessene Gott
Autoren: Claudia Kern
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ausgelassen um die Lagerfeuer tanzt. Selbst die Trolle, die mit ihrer Vorliebe für das Eigentum anderer immer wieder für Probleme gesorgt haben, sind an diesem Abend wohlgelitten.
    Kaum zwei Monate sind vergangen, seit wir Rom verließen und den langen Marsch über die Bergkette antraten, die von den Menschen Alpen genannt wird. Ich hatte viele schreckliche Geschichten über die Barbaren in diesen Bergen gehört, die Reisende überfallen, ihre Kleidung und Ausrüstung rauben und sie dann hilflos im Schnee erfrieren lassen.
    Die Menschen, die wir trafen, erwiesen sich jedoch als warmherzig und gut, auch wenn unser ungewöhnliches Aussehen sie anfangs verschreckte. Zumeist siegte die Neugier über ihre Furcht. Sie luden uns in ihre Dörfer ein und ließen uns an ihren Mahlzeiten teilhaben, auch wenn sie selbst nicht viel besaßen. Um ihnen eine Freude zu bereiten, bat ich oft die Flugdrachen, eine Kostprobe ihrer Künste zu geben, eine Aufforderung, der sie nur zu gerne nachkamen und die von den Barbaren freudig bestaunt wurde. Ich bin sicher, daß sie noch viele Jahre von ihrer Begegnung mit den Drachen berichten werden.
    Es war nicht immer einfach, mit den Barbaren der Berge zu reden. Die meisten sprachen furchtbare Dialekte, für die eine Zentaurenzunge nicht geschaffen ist. Nur wenige beherrschten Latein, so wie es im Römischen Reich gesprochen wird.
    In einem der Dörfer stieß ich zu meiner großen Überraschung auf einen Händler, der weit gereist war und neben Latein auch attisch (griechisch) sprach. Er genoß die Gelegenheit, auf einen gebildeten Fremden zu stoßen, und wir sprachen lange miteinander. Nur als er mich fragte, ob ich attisch oder hellenisch beherrsche, verneinte ich, obwohl ich die Sprache so gut spreche wie jeder Hellene. Aber wie hätte ich ihm erklären sollen, daß mein Volk einst von den Göttern der Hellenen gejagt wurde und sich seitdem weigerte, in deren unheiliger Sprache zu den neuen Göttern zu beten, die es gefunden hatte? Er hätte dies wohl kaum verstanden.
    Trotz all der interessanten Begebenheiten auf unserer Reise durch die Berge war ich froh, als ich im heute ersten Licht des Morgens aus einer Schlucht heraustrat und die nicht endenwollenden Wälder Galliens vor mir sah. Wir sind weniger als eine Tagesreise von ihren Ausläufern entfernt.
    Nach unseren Begegnungen mit den Bergvölkern der Alpen stören uns die Geschichten über die mächtigen Barbaren der Wälder nicht mehr. Wir werden ihnen furchtlos und voller Freundschaft entgegentreten und wenn sie es wünschen, mit ihnen gemeinsam unsere neue Stadt erbauen.
    Und die Legionen des Gaius Julius Cäsar, mögen die Götter seinen Namen verfluchen, werden sich nie in die Wildnis Galliens wagen, dessen bin ich mir sicher…
    ***
    »Seht, der Befreier erwacht…«
    Die geflüsterten Worte drangen durch das Pochen der Kopfschmerzen in Zamorras Bewußtsein. Der Parapsychologe öffnete die Augen und wartete, bis seine Umgebung sich entschieden hatte, nicht mehr mit ihm Karussell zu fahren. Vorsichtig griff er nach seiner Stirn und ertastete eine ausgeprägte Beule und etwas getrocknetes Blut. Er murmelte eine Verwünschung. Der Zentaur mußte ihn ziemlich hart erwischt haben.
    »Willkommen, Befreier!« donnerte ihm im gleichen Moment eine Stimme entgegen. »Deine Armee steht bereit !«
    Zamorra zuckte zusammen. Für einen Augenblick befürchtete er, sein Kopf würde zerspringen. Mußte die Stimme unbedingt so laut sein? Dann aber siegte die Neugier über alle Unannehmlichkeiten und seinen Ärger. Was ging hier vor?
    Der Dämonenjäger setzte sich langsam auf - und stieß überrascht den Atem aus.
    Die Zentauren hatten ihn in eine große Höhle gebracht, in deren Mitte eine steinerne Pyramide stand, die mit ihren glatten Stufen an die Maya-Tempel in Mittelamerika erinnerte. Er selbst saß auf der obersten Stufe, direkt unter einem großen, steinernen Thron, der reich verziert war. Die eigentliche Überraschung befand sich jedoch am Fuße der Pyramide. Zamorra schätzte, daß es rund zweihundert Zentauren waren, die dort in Reih und Glied nebeneinander standen und ihr Schwert präsentierten. Sie sahen aus wie Soldaten, die bei einem Staatsbesuch angetreten waren.
    Einer der Halbmenschen trat vor. Zamorra erkannte ihn wieder. Es war einer der beidèn, die ihn im Château verfolgt hatten.
    »Nimm deinen rechtmäßigen Platz ein!« rief der Zentaur in tiefem Baß und zeigte mit dem Schwert auf den Thron.
    Vergiß es, dachte Zamorra.
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