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0658 - Blutige Träume

0658 - Blutige Träume

Titel: 0658 - Blutige Träume
Autoren: Werner Kurt Giesa
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im Raum. Cascal schleuderte die M-11 gegen das zweite Fenster, das ebenfalls zerklirrte, als spränge noch jemand hinaus. Er selbst hechtete durch die Tür. Dahinter im Schank- und Spielraum standen ein paar weitere Männer. Auf das Tanzmädchen und das verzweifelte Geklimper des Klavierquälers achtete niemand.
    »Schnell! Schnappt euch den Kerl!« schrie Cascal, packte einen der Männer und schob ihn um sich herum zur Tür. »Los, er entkommt sonst! Nun macht schon!«
    Gleichzeitig drückte er selbst sich an der Wand entlang zur Toilettentür. Seine Ortskenntnis kam ihm zugute; er hatte sich das Lokal vorher unauffällig angesehen. Zeit genug hatte er sich dafür genommen.
    Ganz nebenbei fischte er blindlings und unbemerkt einen Haufen Dollarscheine ab, die auf einem der Zockertische lagen, und stopfte sie sich zusammengeknüllt in die Jackentaschen. Die Katze läßt das Mausen nicht. Auf die illegalen Spieltische achtete im Moment niemand mehr; heilloses Durcheinander war entstanden. Als Cascal durch die Toilettentür verschwand, sah er noch Rotlicht blitzen, hörte, wie die Kneipentür aufgestoßen wurde. »Miami Vice!« brüllte jemand. »Dies ist eine Razzia! Jeder bleibt, wo er ist!«
    Ombre nicht. Der »Schatten« verschwand, wie Schatten vergehen, wenn das Licht sie trifft. Ein Toilettenfenster half ihm dabei, nur dachte er nicht daran, nach unten in den Hinterhof zu springen, sondern er zog sich nach oben, über die Regenrinne aufs Dach.
    Es war flach. Ein Anbau, der in den Hinterhof ragte, und auf dem Hinterhof gab es plötzlich uniformierte Polizisten. Überall war rotflackernder Lichtschein. Drinnen gab es Tumult. Die Tänzerin kreischte Es konnte nur ein Zufall sein, daß der Zugriff der Polizei in genau diesem Moment erfolgte. Cascal war sicher, daß der Wirt nichts davon geahnt hatte; der Informant ebensowenig.
    Ombre blieb flach auf dem Dach liegen. Er atmete tief durch. Hier oben vermutete ihn sicher niemand. Wer das offene Toilettenfenster sah, mußte annehmen, daß der Flüchtige hinabgesprungen und davongelaufen war, gerade noch vor Eintreffen der Polizisten.
    Was Cascal aber keinesfalls mehr geschafft hätte; dessen war er sicher.
    Warum Vice ausgerechnet jetzt ausgerechnet hier eine Razzia durchführte, blieb Cascal unklar. Vielleicht ging es um das illegale Glücksspiel…? Das erinnerte ihn daran, daß er eine Menge Geld an sich genommen hatte. Er zog die zerknüllten Scheine aus den Taschen, glättete und ordnete sie in aller Gemütsruhe, während nur wenige Meter entfernt unter ihm eine kleine Hölle los war. Jetzt ging es auch um die Schießerei, jeder beschuldigte jeden, und Cascal fragte sich, wann jemand seine M-11 fand. Die mußte doch draußen vor einem der beiden zerschmetterten Fenster zwischen den Glassplittern liegen.
    Und was hatte es mit diesem dunklen Etwas auf sich, das der Unheimliche sich aus dem Gesicht gepflückt und Cascal zugeworfen hatte? Wo war es geblieben?
    Er tastete nach seinem Amulett. Das besaß er immerhin noch. Es konnte ihn weiterhin vor den Einwirkungen Schwarzer Magie schützen.
    Während er überlegte, war er mit dem Geldzählen fertig geworden und versenkte säuberlich geordnete und gefaltete Scheine im Wert von gut elftausend Dollar wieder in den Taschen seiner Dämonenlederjacke. Das konnte die Haushaltskasse in der nächsten Zeit ein wenig entlasten, und den Zockern tat der Verlust nicht weh - das Geld wäre jetzt ohnehin beschlagnahmt worden.
    Plötzlich vernahm er unten eine Stimme, die er zu kennen glaubte.
    Sein Informant?
    Aber der redete nicht gerade so, als befände er sich in Schwierigkeiten. Im Gegenteil; er plauderte mit einem Mann in Zivil wie mit einem Gleichgestellten.
    Cascal hatte sich bis an den Rand des kleinen Flachdachs gerollt und spähte vorsichtig über die Kante. So konnte er das Geschehen im Hinterhof gut beobachten, ohne selbst gesehen zu werden; kein Mensch kam auf die Idee, nach oben zu schauen.
    Worüber die beiden sich unterhielten, konnte er nicht verstehen. Dafür redeten sie jetzt zu leise, hatten sich auch ein wenig vom Haus entfernt.
    Der Zivile trug eine Polizeimarke und einen Sichtausweis am Jackett; einer der Leute von Vice!
    Doch eine gestellte Falle?
    Aber was versprach sich der Mann mit dem seltsamen Gesicht dann davon?
    Yves Cascal sah ihn gehen.
    Wenig später rückte auch die Polizei ab. Cascal wartete ab, bis es ringsum still geworden war, dann kletterte er vorsichtig vom Dach herunter. Wieder lauschte er.
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