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0649 - Der Junge von Stonehenge

0649 - Der Junge von Stonehenge

Titel: 0649 - Der Junge von Stonehenge
Autoren: Jason Dark
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er. »Ich soll weg gewesen sein.« Sein Lachen flatterte mir entgegen. »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Weil ich dich nicht mehr sah und du meiner Ansicht nach auch nicht an der letzten Station ausgestiegen bist. Ich hatte den Eindruck, als hättest du dich in Luft aufgelöst.«
    »Kann man das denn?«
    »Nicht im Normalfall.«
    »Dann bin ich unnormal.«
    »Das hast du gesagt. Wie heißt du eigentlich?«
    Er schmunzelte. »Ja«, wiederholte er sinngemäß. »Wie heiße ich eigentlich?«
    »Hast du keinen Namen, oder willst du ihn mir nicht sagen? Du mußt nicht, es war nur eine Frage.«
    »Sie können mich Tim nennen.«
    Ich hob die Schultern. »Wenigstens etwas. Ich heiße übrigens John.«
    »Ich weiß.«
    Er hatte die Antwort so hart gegeben, dass sie mich überraschte.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich weiß eben vieles.«
    Ausgerechnet jetzt mischte sich die Frau ein, bei der ich mich nach dem Jungen erkundigt hatte. »Da ist doch der Bengel«, sagte sie und schielte uns von der Seite her über ihre Lesebrille hinweg an. »Ich weiß überhaupt nicht, was Sie von mir gewollt haben.«
    »Ich war eben…«
    »Hören Sie auf, Sie…« Plötzlich fing sie an zu fluchen und schleuderte ihre Lesebrille weg. Sie fiel auf ihren Schoß, wo sie für einen Moment liegenblieb, bevor die Frau sie wieder anhob und sich beide Gläser kopfschüttelnd betrachtete.
    »Kaputt!« beschwerte sie sich. »Verdämmt noch mal, das Glas ist gesprungen, einfach so. Mist auch!«
    Ich schaute nicht die Frau an, dafür den Jungen und entdeckte auf seinen Lippen ein feinsinniges und irgendwo wissendes Lächeln. Sollte er mit diesem Vorgang zu tun haben?
    Es gab Menschen, die eben außergewöhnliche Kräfte besaßen. Und das war an kein Alter gebunden.
    »Die Frau gefällt mir nicht«, sagte Tim so leise, dass nur ich ihn verstehen konnte. »Sie ist einfach nicht gut, John Sinclair.«
    Jetzt spürte ich den Klumpen in der Kehle und im Magen. Verdammt, der kannte meinen Nachnamen! Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter, wie bei jemand, den ich nicht mehr loslassen wollte. »Ich glaube, Tim, wir müssen uns in aller Ruhe unterhalten!«
    »Tun wir das nicht schon?« fragte er voller Unschuld.
    »Ich habe dir meinen Nachnamen nicht gesagt. Du aber wusstest ihn woher?«
    Er hob die Augenlider an, die dunklen Pupillen weiteten sich dabei. In diesem Moment wirkte er auf mich sehr fremd, aber auch irgendwie geistesabwesend.
    »Willst du nicht reden?«
    Plötzlich lachte er. »Doch, ich will reden. Ja, ich werde es dir sagen, John.«
    »Dann bitte.«
    »Die Steine berichteten davon. Ich komme von den Steinen her, und sie haben mir schon viele Wege gezeigt. Sie können mit mir reden, sie sprechen mit mir, ich kann sie verstehen, denn tief in ihnen lauern die Botschaften einer längst vergangenen Zeit. Es ist wirklich wunderbar, mit ihnen zu sprechen.«
    »Das kannst du?«
    »Ich schwöre es bei meinem Ahnherrn.«
    »Den hast du auch?« tat ich verwundert.
    »Natürlich habe ich ihn. Mein Ahnherr ist ein besonderer Mensch gewesen…«, er überlegte und legte dabei den Kopf zur Seite. »Oder kann man es auch anders ausdrücken?«
    »Wie denn?«
    »Ich kenne ihn nicht genau, aber er trug immer eine Kutte, eine helle Kutte.«
    Wieder rollten wir in eine Station. Es war die vorletzte für mich. An der nächsten musste ich den Wagen verlassen, um in mein Büro zu kommen. Die Frau mit der zersprungenen Brille erhob sich. Bevor sie zur Tür ging, warf sie uns beiden einen bösen Blick zu, als trügen wir daran die Schuld, dass ihr Sichtfenster zerbrochen war.
    Auch andere Fahrgäste wollten aussteigen. Wir mussten im Mittelgang Platz schaffen. Ich hielt die Augen offen, denn mir sollte nicht noch einmal passieren, dass Tim verschwand, als hätte er sich in Luft aufgelöst.
    Diesmal blieb er. Sehr interessiert schaute er durch die Scheibe nach draußen und beobachtete drei junge Männer, die Lederkleidung trugen und ihre Haare farbig gefärbt hatten. Eigentlich waren sie harmlos, nur hatten diese drei schon reichlich dem Alkohol zugesprochen, was ihrem Benehmen anzumerken war.
    Ausgerechnet sie stiegen in unseren Wagen und rollten sich förmlich hinein, indem sie sich an den Haltestangen festklammerten und so der Wagenmitte entgegenschwangen.
    Ihr Anführer schickte seine leere Bierbüchse in den Gang hinein. Als der Wagen anfuhr, rollte sie unter einen Sitz. Die drei hatten Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Sie schwankten, pöbelten, als sie
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