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0641 - Grabgesang

0641 - Grabgesang

Titel: 0641 - Grabgesang
Autoren: Werner Kurt Giesa
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eindeutig Errungenschaften der Neuzeit.
    Immer wieder sah sie sich um, ob sie Niemand irgendwo in ihrer Nähe wahrnehmen konnte. Aber von dem Mann in Grau war nichts zu sehen. Dennoch glaubte sie, er müsse irgendwo sein und sie beobachten.
    Der Unheimliche, den sie mit dem Säbelstoß nicht hatte töten können… der sich danach, die Klinge im Körper, wieder erhoben hatte…
    Sie sah an sich herunter. Sie trug jetzt nicht mehr die Kleidung des 17. Jahrhunderts, in der sie hier doch aufgefallen wäre, sondern ein einfaches, weißes Kleid. Darin war sie zu Fuß auf der Landstraße unterwegs. Vor und hinter ihr erhob sich am Horizont jeweils die Silhouette eines Kirchturms. Aus dem einen Dorf mußte sie gekommen sein, um dem anderen Dorf zuzustreben, aber sie wußte trotzdem nicht, wo sie sich befand.
    Die Menschen hier verwendeten eine Sprache, die Eva nicht verstand. War das bretonisch, in dem sie sich miteinander unterhielten? Als der Bauer mit der Mähmaschine nahe am Weg entlang kam, rief Eva ihn auf französisch an und erkundigte sich nach dem Namen des nächsten Dorfes.
    Sie bekam Auskunft, aber in einem harten Dialekt, und der Tonfall war auch nicht gerade freundlich. Eine Bemerkung folgte, die Eva nur halb verstand, aber sie glaubte heraushören zu können, daß man hier auf Franzosen nicht sonderlich gut zu sprechen war.
    »Ich muß nach Broceliande«, fuhr sie fort. »Weiß jemand von Ihnen den Weg dorthin?«
    »Was weiß ein Franzosenbalg von Broceliande?« murrte der Bauer. »Wir kennen den Weg dorthin nicht.«
    »Oder Sie wollen ihn mir nicht verraten. Sie sind Bretone, nicht wahr?«
    »Oh, nein. Ich bin ein Chinese. Ich habe mich nur als Bretone verkleidet«, knurrte der Mann. »Und nun verschwinde, Französin. Du hast mir schon genug meiner Zeit gestohlen. Ich habe zu arbeiten.«
    Er trieb das Pferd wieder an. Es trottete los, und rasselnd setzte sich die Mäh-Mechanik wieder in Bewegung. Ein paar Meter weiter runzelte eine alte Frau die Stirn und sagte halblaut: »Niemand geht nach Broceliande.«
    Niemand…
    Was meinte sie damit? Etwa den Mann in Grau? Was wußte sie von ihm?
    Aber Eva konnte sie nicht danach befragen, und auch sonst keinen dieser Menschen.
    Denn ihre Umgebung veränderte sich erneut.
    ***
    Zamorra glaubte kaum noch an eine Chance. Mit dem Gegner, der sich ihrer angenommen hatte, legte man sich lieber nicht an!
    Zamorra hatte ihn erkannt. Er war sicher, es mit einem MÄCHTIGEN zu tun zu haben.
    Mit einem jener unfaßbaren Wesen aus den Tiefen von Raum und Zeit, die nahezu unbesiegbar waren. Sie waren unsagbar böse, ihr Machtanspruch war universell. Sie duldeten nichts und niemanden neben sich, selbst untereinander waren sie kaum einmal zur Zusammenarbeit bereit. Niemand wußte, wie sie wirklich aussahen und woher sie ursprünglich kamen. Sie waren in der Lage, jede beliebige Form anzunehmen, sei es Menschengestalt, Tier, Monster, Felsen - sogar als Dimensionsblase oder als Weltentor hatten sie sich schon manifestiert. Zamorra hatte bereits mit etlichen dieser Kreaturen zu tun gehabt, aber die meisten nur verjagen können. Die er wirklich unschädlich gemacht hatte, indem er ihre bösartige und vernichtende Existenz beendet hatte, konnte er an den Fingern einer Hand abzählen.
    Lange Zeit hatten die MÄCHTIGEN nichts mehr von sich hören und sehen gelassen. Aber jetzt war einer wieder aufgetaucht. Zamorra zweifelte nicht mehr daran.
    Er fragte sich, was der Unheimliche beabsichtigte, dem sie gerade ungewollt in die Quere gekommen waren. War er tatsächlich hinter Eva her? Warum? Und hatte er sie inzwischen tatsächlich erwischt?
    Zamorra starrte die Grabsteine an, auf die Nicole ihn aufmerksam gemacht hatte. Er sah die Inschriften. Fast alle waren verwittert und kaum zu erkennen. Aber eine Inschrift war sehr deutlich lesbar geblieben.
    Es war ein altes keltisches Wort, das in stark abgewandelten Formen auch heute noch bei Bretonen und Walisern gebräuchlich war.
    »Tochter des Falken «, übersetzte Zamorra.
    »Eva«, stieß Nicole hervor. »Damit ist eindeutig Eva gemeint. Merlin bedeutet Falke, Myrddhin Emrys der Falke des Lichts. Eva ist seine Tochter. Das hier ist Evas Grab.«
    »Es kann nicht sein.« Zamorra schüttelte den Kopf. »Ihr Grab ist in Lyon, und es sieht auch völlig anders aus als dieses hier. Der MÄCHTIGE gaukelt uns etwas vor.«
    »Das da auch?« fragte Nicole.
    Zamorra hob den Kopf und sah in die Richtung, die sie ihm wies.
    Da lief Eva in einem weißen Kleid
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