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0641 - Grabgesang

0641 - Grabgesang

Titel: 0641 - Grabgesang
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Wirklichkeit, was nicht? Es gab für sie keinen Weg, auf dem sie sicher gehen konnte.
    Niemand bewies es ihr.
    Niemand, in dessen Körper der Säbel steckte.
    Niemand, der sich aufrichtete, sie ansah, und…
    ...ihr nachschaute, als sie das Schiff verließ.
    Es hatte seinen Bestimmungshafen erreicht.
    Einen Hafen in der Alten Welt.
    Frankreich.
    Bretagne.
    Eva schüttelte sich. Wo war ihr Gepäck? Sie erinnerte sich: Sie besaß keines. Sie war einfach nur so da. Ihre Hände waren leer. Wo war der Säbel?
    Sie war waffenlos und allein.
    Es wimmelte von Menschen, von Arbeitern, die sich um Schiffe und Frachten kümmerten. Vorwiegend junge Menschen, fast noch Kinder. Stark und billig.
    Niemand wartete auf Eva.
    Allein bei diesem Gedanken zuckte sie zusammen. Niemand, der Mann in Grau. Vielleicht würde sie das Wort ›niemand‹ nie wieder unbefangen benutzen können.
    Niemand wartete auf sie.
    Und sie hatte niemand(en) getötet.
    Sie befand sich an Frankreichs Nordküste. Sie befand sich in der Bretagne.
    Nicht weit von Pompaint befand sich Broceliande.
    Dorthin mußte sie.
    Egal, wie!
    Ich gehöre nach Broceliande. Dort war ich glücklich.
    In Merlins Zauberwald.
    Er war ihr Ziel.
    ***
    Wieder hatte Zamorra den Zeitring benutzt, diesmal zusammen mit Nicole, um noch einmal eine relativ kurze Zeitspanne in die Vergangenheit zurückzukehren. Wann ungefähr Eva das Fort verlassen haben mußte, wußten sie; Zamorra hoffte, daß die Zeitspanne exakt genug angegeben worden war, daß die Zeitschau ausreichte. Denn mehr als eine Spanne von etwa 24 Stunden konnte er nicht überbrücken. Danach stand der Aufwand von eigener psychischer und physischer Kraft, die nötig war, diesen Blick in die Vergangenheit zu steuern und zu kontrollieren, in keinem gesunden Verhältnis mehr zum Ergebnis.
    Die Zeitschau benötigte sehr viel Kraft. Wenn ein Ereignis, das beobachtet werden sollte, nur wenige Minuten oder Stunden zurücklag, war das noch kein Problem. Handelte es sich bereits um einen halben Tag, wurde es bereits schwierig und kräftezehrend.
    Ein größeres Problem war jetzt allerdings, nahe genug an das Fort heranzukommen, um das Tor beobachten zu können. Denn den Wachposten würde die Annäherung natürlich auffallen. Sie hatten sicher etwas dagegen, daß sich jemand unmittelbar vor dem Tor herumtrieb. Zamorra mußte damit rechnen, daß eine Patrouille das Fort verließ, um sie beide als verdächtige Personen gefangenzunehmen.
    Aber sie mußten möglichst nahe heran, denn die optische Reichweite des Amuletts war begrenzt. Mehr als ein paar Meter im Umkreis des Benutzers waren eigentlich nicht darstellbar, die Bilder wurden um so unschärfer, undeutlicher, je weiter das zu beobachtende Objekt vom Träger des Amuletts entfernt war.
    Schließlich fand Zamorra eine Kompromißlösung. Schon bei ihrer Flucht aus dem Fort hatte er am Wegesrand, etwa hundert Meter vor den Befestigungsanlagen, ein ziemlich dichtes Buschwerk entdeckt, das eine recht gute Sichtdeckung versprach. Dennoch wagten sie nicht, sich bei Tageslicht anzupirschen. Denn die Umgebung dieses Gesträuches war weithin überschaubar, vor allem von den erhöhten Wachtürmen des Forts aus.
    Deshalb warteten sie bis zum Einbruch der Dunkelheit, um sich dann nach Indianerart anzupirschen und in diesem Gesträuch schließlich Deckung zu finden.
    Dort versetzte Zamorra sich dann in die Halbtrance, die zur Steuerung der Zeitschau erforderlich war. Mit Gedankenbefehlen lenkte er das Amulett.
    Der stilisierte Drudenfuß in der Mitte der handtellergroßen, mit allerlei seltsamen und unentzifferbaren Hieroglyphen versehenen Silberscheibe veränderte sich. Er wurde zu einer Art Miniatur-Fernsehsehirm, der die nähere Umgebung zeigte - wie einem rückwärts laufenden Film.
    Während Zamorra sich auf diesen ›Film‹ konzentrierte, überwachte Nicole die Umgebung. Schließlich wollten sie sich nicht überraschen lassen, und Zamorra brauchte auf jeden Fall wenigstens eine halbe Minute, um notfalls das ihm vom Amulett gezeigte Bild gewissermaßen ›einzufrieren‹ und sich wieder aus seiner Halbtrance zu lösen.
    Zunächst brauchte Zamorra eine Weile, sich zu orientieren, während er das Bild erst noch langsam in die Vergangenheit zurückführte. Es war dunkel, und er konnte kaum etwas von dem Weg erkennen. Dann aber kam die Abenddämmerung und schließlich der Nachmittag.
    Der Standort erwies sich als tatsächlich gut gewählt. Der Weg selbst war hier überschaubar, und die Sicht
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