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0641 - Grabgesang

0641 - Grabgesang

Titel: 0641 - Grabgesang
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Fingerspitzen bewegt haben, um keine Gräser umzuknicken… Dieser Karl May muß doch eine blühende Fantasie, aber wenig Sinn für die Realität gehabt haben.«
    Zamorra lächelte. »Interessant auch, daß die Romanhelden sich die ganze Nacht um die Ohren schlagen, um feindliche Indianer zu belauschen, und am nächsten Tag immer noch hellwach sind… Aber was soll's? Wichtig ist doch nur, daß die Geschichten spannend erzählt sind.«
    Er wiederholte die Zeitschau. Diesmal brauchten sie nicht ganz so vorsichtig zu agieren wie in unmittelbarer Nähe des Forts. So konnte sich auch Nicole diesmal telepathisch anhängen.
    Da der graue Reiter hier früher vorbeigekommen war, mußte Zamorra noch ein kleines Stück weiter zurückgehen. Dann sah er ihn plötzlich wieder auftauchen, diesen unheimlichen Mann mit der mächtigen Aura.
    Je länger er ihn betrachtete, desto gefährlicher schien er ihm zu werden.
    Und da war noch etwas.
    An seiner inneren Zeitlinie stimmte etwas nicht.
    Zamorra konnte nicht sagen, wie er darauf kam, aber er spürte es einfach. Vielleicht hing es damit zusammen, daß sie sich selbst in ein temporales Chaos begeben hatten, mit ihren immer wieder neuen, weiteren Sprüngen in die Vergangenheit. Auch das Amulett, das an diesen Verknüpfungen seinen Anteil hatte, reagierte, und es schien Zamorra auch, als würden die beiden Zeitringe an seinen Fingern vibrieren.
    Dieser graue Mann gehörte ebensowenig in diese Zeit wie Zamorra und Nicole, wie Eva!
    Auch er kam aus einem Anderswann…
    Und da war noch etwas.
    Etwas, das Zamorra olötzlich Furcht einflößte. Alles in ihm schien sich zu verkrampfen. Mit einem jähen Ruck wurde er aus der Halbtrance gerissen, aus der sofort verblassenden Zeitschau. Etwas Unheimliches griff nach ihm, und es griff zugleich auch nach Nicole.
    Zamorra hörte sie überrascht aufschreien.
    Da war ein Sog, der ihn zu verschlingen drohte, der auch Nicole erfaßte. Irgendwie fühlte Zamorra, daß sie beide in ihrer Gesamtheit erfaßt wurden.
    Das Unheimliche kam von dem Mann in Grau.
    Es verband sie jetzt alle miteinander. Und ihre Umgebung verschwand einfach, war plötzlich nicht mehr vorhanden.
    Nur noch eine wirbelnde Schwärze.
    Ein unentwirrbares Durcheinander von Strukturen und Filamenten, in einer Art miteinander verflochten, daß der menschliche Verstand nicht mehr ausreichte, sie zu begreifen.
    Sie wurden blasser, wurden grau.
    Unwahrscheinlich grell leuchteten die Zeitringe!
    Sie waren aktiv, auch ohne Merlins Machtspruch!
    Das Unheimliche, das Fremde, das seinen Ursprung in dem grauen Mann hatte, löste diese Reaktion aus!
    Es ließ die beiden Menschen nicht mehr los.
    Auf den Abtastversuch der Zeitschau reagierte es mit gnadenloser Gewalt.
    Irgendwo wollte es sie wieder ausspeien.
    Eine Landschaft schälte sich aus den verdrehten, wirren Linienstrukturen heraus. Die wurden zu Nebelschleiern, welche über einen grauen, verfallenen Friedhof mit verwitterten Steinen trieben.
    »Nein!« hörte Zamorra Nicole aufschreien. »Die Gräber… diese Gräber…«
    Da sah er es auch.
    Sah die Inschriften auf den Grabsteinen.
    Und fühlte zugleich, daß der Graue seine Energie jetzt zurückzog. Er hatte sie hierher transportiert und wollte sie nun zurücklassen.
    Nein! dachte Zamorra. Das darf nicht geschehen. Um nichts in der Welt! Denn von selbst kommen wir hier nicht mehr weg…!
    Er hatte begriffen, womit sie es zu tun hatten.
    Und er konnte nur noch hoffen, daß sie alle es überlebten.
    ***
    Eva schloß die Augen. Als sie sie wieder öffnete, befand sie sich nicht mehr in der Hafenstadt. Erschrocken stellte sie fest, daß die eigenartigen Zeitschübe immer noch stattfanden.
    Der Mann in Grau war nicht mehr in ihrer Nähe, aber er brachte es immer noch fertig, Eva zu manipulieren. So, wie er es drüben in Amerika getan hatte.
    Es hatte sich eine Menge verändert. Eva bewegte sich über eine asphaltierte Straße. Auf einem der Kornfelder neben der Straße waren Menschen mit Mähen beschäftigt. Sie benutzten eine große, hölzerne Mähmaschine, die von einem Pferd gezogen wurde.
    Das war nie und nimmer das Jahr 1676. Das war auch nicht 1677 oder 1680. Eva mußte sich längst viel weiter in der Zukunft befinden. Das 20. Jahrhundert mußte bereits angefangen haben, wenn es so eine Maschine gab.
    Sie wußte nur wenig über die technischen Entwicklungen der Menschheit, aber primitive Mähmaschinen dieser Art, die mit Hebelmechanik funktionierten, und asphaltierte Straßen waren
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