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0615 - Die Satans-Vision

0615 - Die Satans-Vision

Titel: 0615 - Die Satans-Vision
Autoren: Jason Dark
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Sonnenaufgang, wobei die Strahlen direkt das Gesicht einer Frau trafen, die wohl Anne persönlich darstellen sollte, denn gewisse Ähnlichkeiten mit ihr waren durchaus vorhanden.
    Die abstrakten Bilder wiesen kaum geometrische Motive auf. Zumeist schaute der Betrachter gegen wilde Kreise, die sich um sich selbst drehten und dabei noch andere umfaßten.
    »Gefallen Sie Ihnen?«
    Pierre schrak zusammen, weil er Anne nicht hatte zurückkehren hören. Er drehte sich um und sah, wie sie das rote Tablett auf einem Tisch absetzte. »Im Prinzip ja, sie sind nur manchmal etwas düster oder bedrückend, finde ich.«
    »Da haben Sie recht.«
    »Wie kommt das?«
    Anne richtete sich auf. Sie seufzte. »Manchmal sind Bilder ein Spiegel der Maler-Seele. So ist das auch bei mir. Ich habe oft gemalt, wenn ich down war. Das ist das Ergebnis.«
    »Weshalb waren Sie down?«
    Anne hob die Schultern. »Vielleicht ist es mein Schicksal. Wer weiß das schon!«
    Pierre verzog säuerlich das Gesicht. Anne mußte lachen. Es war das erste Lachen überhaupt, das er von ihr hörte. »Wissen Sie, Anne, an das Schicksal glaube ich nicht so stark.«
    »Weshalb nicht?«
    »Die Gründe können in meinem Beruf liegen. Ich bin Techniker, ich rechne mit Zahlen, ich brauche Beweise.« Er schaute sie mit schiefgelegtem Kopf an. »Läßt sich das Schicksal beweisen, Anne?«
    »Nein«, erwiderte sie leise und spontan. »Beweisen läßt es sich wohl nicht, nur fühlen.«
    »Das ist eben mein Problem.«
    »Wir haben ein gemeinsames Problem. Wenn wir ihn nicht bald trinken, wird er kalt, der Kaffee.«
    »Entschuldigung, ich war eben zu sehr in Gedanken. Ihre Bilder haben mich fasziniert.«
    Wenig später, sie saßen sich gegenüber, tranken und knabberten Gebäck, schaute Anne ihren neuen Bekannten über die Flamme der Kerze hinweg an. »Wie würden Sie denn meine Bilder beschreiben, wenn Sie Adjektive nehmen?«
    Er runzelte die Stirn. »Das ist schwer. Mir fehlt etwas die Phantasie. Vielleicht depressiv? Nein«, widersprach er sich selbst, »das ist wohl nicht die richtige Bezeichnung. Manche sind mir direkt dämonisch vorgekommen. Komisch, nicht?«
    »Das ist gar nicht komisch. Ich selbst habe sie so empfunden. Dämonische Bilder, egal, ob sie abstrakt oder konkret gemalt worden sind. Ein Hauch von Dämonie schwebt immer über den Motiven.«
    »Haben Sie auch darüber nachgedacht, wie das zustande gekommen sein könnte?«
    »Dazu müßten Sie die Tiefen meiner Seele ausleuchten.« Anne strich eine Haarsträhne zur Seite. »Und die menschliche Seele ist meistens unergründlich. Wie Sie ja wissen, schaut man einem Menschen nur vor den Kopf, nicht dahinter.«
    »Dennoch haben Sie mich mitgenommen. Setzen Sie ein so großes Vertrauen in mich?«
    Anne lächelte weich. »Ja, das stimmt«, erwiderte sie nachdenklich.
    »Bei Ihnen war es anders. Ich hatte Vertrauen, das spürt man doch, ob ein Mensch dem anderen wohlgesonnen ist oder nicht.«
    »Damit könnten Sie recht haben. Mir ist es bei Ihnen auch so ergangen, aber haben Sie mich nicht als blutrünstigen Mörder gesehen, der alles aus dem Weg räumte?«
    »Schon. Nur muß man manchmal den Teufel mit dem Beelzebub bekämpfen.«
    »Dann bin ich beides zusammen.«
    »Nein, nein, nein.« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Das ist alles ganz anders. Ich habe Sie mitgenommen, um mich selbst zu überwinden, meine eigene Furcht zu überholen.«
    »Interessant. Und das Ergebnis?«
    »Ich habe es nicht bereut.«
    Pierre nickte. Er streckte seinen Arm aus. Die Hand fuhr über den Tisch und legte sich auf die schmalen, zerbrechlich wirkenden Finger der Anne Geron. »Danke«, sagte er.
    Sie schaute gegen ihren Kaffee. Minutenlang schwiegen die beiden, und Pierre, eigentlich ein Aufreißer, was Frauen anging, wunderte sich darüber, wie romantisch er plötzlich sein konnte. Es kam ihm nicht einmal in den Sinn, den Versuch zu wagen, diese junge Lehrerin ins Bett zu bekommen. Sie saßen da wie zwei Schüler, die ihre erste Liebe genossen, und draußen senkte sich allmählich der helle Tag dem Ende entgegen, um der Dämmerung Platz zu schaffen.
    Irgendwann stand Pierre auf. Diese Bewegung zerriß die Stimmung zwischen ihnen. »Ich müßte jetzt gehen«, sagte er, »da ich noch eine Verabredung einhalten muß.«
    »Wie heißt die Dame?«
    »Es ist ein Kollege. Wir müssen einige Pläne gemeinsam durchsprechen. Wann sehen wir uns wieder?«
    Sie hob die Schultern und stand ebenfalls auf. »Morgen vielleicht oder
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