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0606 - Gwenola - grausam und geächtet

0606 - Gwenola - grausam und geächtet

Titel: 0606 - Gwenola - grausam und geächtet
Autoren: Jason Dark
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sonnenbraun und mit einem Haar ausgestattet, das den Vergleich mit der berühmten Löwenmähne nicht zu scheuen brauchte. Es war weiß geworden. Er hatte es lang wachsen lassen, aber doch sehr raffiniert geschnitten, denn vorn fiel es strähnig kurz, dafür im Nacken länger, wo es sich auch im leichten Septemberwind bewegte. Donovan trug einen weißen Pullover und eine ebenfalls helle Jeans. Um seinen Hals hatte er eine Goldkette gehängt.
    Wie gesagt, ein Bild von einem Mann, wären nicht die kleinen Fehler in seinem Gesicht gewesen.
    Dazu gehörten die zahlreichen Wunden auf den Wangen und der Stirn, die teilweise noch nicht vernarbt waren und aussahen wie breite, rote Flecken. Dazu gehörte ferner die gespaltene Lippe, die in der unteren Hälfte ebenfalls eingerissen war. Das linke Ohr bestand im unteren Drittel nur mehr aus Knorpeln, und Donovan konnte von Glück sagen, daß er sein Augenlicht behalten hatte.
    Er hob sein Glas an. Ich konnte seinen Handrücken sehen. Auch auf ihm schimmerten Narben.
    »Cheers, Mr. Sinclair.«
    »Ja, zum Wohle.«
    Er lächelte verkrampft. »Ich freue mich, daß Sie zu mir gekommen sind. Einige Male ist der Termin geplatzt, aber jetzt drängt die Zeit.«
    Donovan lehnte sich auf seinem Gartenstuhl zurück. »Nie hätte ich gedacht, daß so etwas geschehen könnte.«
    »Sie wohnen sehr schön hier.«
    »Stimmt.« Donovan nickte. »Ich habe hier tatsächlich ein kleines Paradies geschaffen, in das ich mich mit meinen Freunden zurückgezogen habe. Aber es sind nicht mehr meine Freunde, und das eben ist für mich das Unbegreifliche.«
    Wenn dieser Mann von seinen Freunden sprach, meinte er nicht etwa Menschen, sondern Tiere. Auch keine Hunde oder Katzen, bei ihm drehte sich alles um Vögel.
    Nicht um Wellensittiche, Papageien oder Meisen, sondern um Raubvögel! Sperber, Habichte, Falken, Eulen und auch Uhus, das waren seine Spezialität, und Donovan hatte es zu hohem Ansehen gebracht. Er galt in der Branche als der Fachmann.
    Er mochte die Vögel, züchtete sie und pflegte auch kranke gesund.
    Man konnte ihn als Vogeldoktor bezeichnen, denn sein Gelände beherbergte eine Vogelklinik.
    In der Tat kümmerte sich der Mann mit einer wahren Engelsgeduld um kranke Tiere. Er päppelte sie hoch, er machte sie gesund und übergab sie anschließend der Natur.
    Und das alles auf einem Gelände, das ihm gehörte. Der Urgroßvater hatte es gekauft, und es war in Familienbesitz geblieben. Wald, Wiesen, Hügel, zwei Bäche, die die Feuchtgebiete versorgten, eine völlig intakte Umwelt, wie Donovan versicherte, in der sich seine Vögel wohl fühlten und auch nach Beute jagen konnten. Es wimmelte von Hasen, Mäusen und anderen Tieren. Waren die Zöglinge sehr krank, ließ er sie nicht frei, sondern steckte sie in ein großes Freigehege.
    Das Haus hatte der Vogelzüchter dem Gelände angepaßt. Es sah aus wie eine Mischung aus Blockhütte und Landhaus. Mauern aus Bruchsteinen, eine Terrasse aus dem gleichen Material, viel Holz, auch auf dem Dach, und alles sehr stabil, wie auch die schweren Eichenmöbel im hallenartigen Wohnraum mit dem gewaltigen Rundkamin und dem großen Fenster, das einen wunderbaren Blick in die Landschaft garantierte.
    Wir hielten uns auf der Terrasse auf. Sie bildete den Mittelpunkt eines außergewöhnlichen Gartens, wo kleine Teiche, Skulpturen, steinerne Sitzplätze, zwei verschwiegene Pavillons, Stege und wild angelegte Beete wunderbar miteinander harmonierten. Dieser Garten war nicht direkt als solcher zu erkennen, er floß über in die normale Umgebung, und das hatte der Mann auch gewollt.
    Nach dem ersten Schluck nickte er und setzte sein Glas ab. »Glauben Sie eigentlich an die Kräfte der Natur, Mr. Sinclair?«
    »Wie meinen Sie das? An die heilenden?«
    »Nein, nicht so. Ah die Natur, an alles, was Sie hier sehen und was Sie nicht sehen.«
    Ich spielte mit dem Glas. Mein Blick glitt in die Weite hinein. Über einem dunklen Waldstück drehten große Vögel ihre Runden. Ein Bild des Friedens, aber deshalb war ich nicht gekommen. Es ging um andere, um gefährliche und unerklärliche Vorgänge.
    »Sehen oder nicht sehen«, wiederholte ich. »Kann es sein, daß Sie besonderen Wert auf den letzten Teil des Satzes legen?«
    »Das ist wahr. Gerade das, was wir nicht sehen, kann eine Gefahr darstellen.« Er räusperte sich. »Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Mr. Sinclair. In dieser Gegend geht etwas vor, das ich nicht verstehe. Hier ist einiges anders geworden.«
    »Was hat sich
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