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060 - Bis zum letzten Schrei

060 - Bis zum letzten Schrei

Titel: 060 - Bis zum letzten Schrei
Autoren: Larry Brent
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Jedes Schriftstück, jeden Bericht, den ich greifen
konnte, habe ich herangeschafft. Zweifel und Angst hielten sich lange Zeit die
Waage. Obwohl ich seit zehn Jahren nur noch hin und wieder auf der Burg weile,
besonders während der Sommerzeit, habe ich mich auch in meiner Stadtwohnung in
Straßburg weiter mit dem Fragenkomplex beschäftigt. Ich habe uralte Bücher
auftreiben können. Der Eindruck, den ich gewann, war folgender: Das Ganze las
sich wie eine Legende, und es gab nicht einen einzigen lebenden Menschen, der
die phantastischen Berichte über die Burg und das Geschehen darauf hätte
bestätigen können. Das hat sich geändert. Ich selbst habe die Weiße Frau
gesehen, die Totenfrau, André, von der wir den Neugierigen immer so viel
erzählt haben. Aber nun zu Edith Rouflon: Sie hat mich vor einer Woche in
Straßburg aufgesucht. Im Gespräch konnte ich ihr erstaunliches Wissen erkennen,
das sie über die Burgen und Schlösser in dieser Gegend besitzt. Sie war
journalistisch tätig, plante für einen angesehenen Verlag einen Sammelband, in
dem sie auf die Geschichte, die Sagen und Legenden der einzelnen Burgen
eingehen wollte. Niemand wußte bisher von ihrem Plan, außer dem Verlagsleiter.
Niemand wußte auch, daß sie sich besonders mit der Geschichte von Schwarzenstein
auseinandergesetzt hatte. Sie gab mir zu verstehen, daß sie der Überzeugung
sei, daß sich der sechsfache Mord in den Monaten Juli, August und September
abgespielt hätte. Wir haben jetzt Juli. Edith Rouflon bat mich, ein paar Tage
in der Burg bleiben zu dürfen. Sie wollte niemanden dabeihaben. Auch das gab
sie mir zu verstehen, als ich ihr meine Begleitung anbot. Wenn es mir recht
wäre, wolle sie ganz gern auf sich allein gestellt sein, das Burginnere
erforschen und kennenlernen und die Wege nachvollziehen, welche die angebliche
Weiße Frau, die weder tot noch lebendig sei, hier alle hundert Jahre einmal
gehen würde. Ich konnte sie verstehen. Sie wollte von keiner Seite beeinflußt
oder getäuscht werden.
    Nicht mal
Ihnen gab ich deshalb Bescheid, André. Ich hoffte, daß Sie Verständnis für die
Lage der Besucherin haben würden. Ich habe mich nicht in Ihnen getäuscht. Doch
am selben Mittag noch, nachdem Edith Rouflon mich in Straßburg verlassen hatte,
kamen mir Bedenken. Mit dem Zug fuhr ich bis nach Bitche. Bei Einbruch der
Dunkelheit legte ich den Rest des Weges zu Fuß zurück.«
    »Aber das
sind mehr als acht Kilometer!« entfuhr es Soiger. »Und dann den steilen Berg
hinauf!«
    »Ich bin
nicht ganz so klapprig, wie ich aussehe. Dreißig Jahre meines Lebens bin ich zu
Fuß durch diese Landschaft marschiert, mit der Staffelei auf dem Rücken. Ich
bin das Laufen gewohnt, mein lieber André! Unbemerkt suchte ich meine alte
Sommerwohnung auf. Sie merkten nichts, und auch dem Mädchen entging meine
Ankunft. Das lag in meinem Sinn. Ich wollte als heimlicher Beobachter die
gleiche Zeit hier verbringen wie Edith Rouflon. Zu dem Zeitpunkt, den ich für
richtig gehalten hätte, würde ich mich dann bemerkbar gemacht haben.
    Aber es kam
alles ganz anders! Ich hörte in der vergangenen Nacht das Seufzen und Klagen.
    Ich war trotz
der Hitze erstaunlich schnell eingeschlafen. Wahrscheinlich war der
anstrengende Fußmarsch schuld daran. Ich verließ mein Zimmer und ging den
Gewölbegang entlang. Es stand eindeutig fest, daß die Geräusche aus dem Zimmer
über dem Rittersaal kamen. Es schabte und ächzte in der Wand. Auch Edith
Rouflon, die in dieser Nacht auf einem Notbett in einer Ecke des Gastraumes
übernachtete, war durch das Geräusch angelockt worden. Aber das merkte ich
erst, als es zu spät war. Ich entdeckte zu meinem Erstaunen neben dem Kamin in
dem Zimmer, wo Sie mich aufstöberten, den Geheimgang, der in den Rittersaal
hinabführte. Diesen Weg muß die Weiße Frau gegangen sein. Ich fand Edith
Rouflon in ihrem Blut liegend. Das Gespenst verschwand auf dem gleichen Weg,
den es gekommen war. Ich weiß nicht, wie lange ich unschlüssig vor der Leiche
des Mädchens gestanden habe. Ich wußte nichts mit mir und der Situation
anzufangen, in der ich mich befand. Ich glaube, ich spielte mit dem Gedanken,
die Leiche einfach verschwinden zu lassen.
    Da sah ich
Ihren Schatten am Fenster, André. Ich hatte nichts Eiligeres zu tun, als mich
in die Finsternis des durch das Gemäuer führenden Geheimganges zurückzuziehen
und von dort aus Ihre Bemühungen zu verfolgen. Mehr als einmal spielte ich mit
dem Gedanken, mich Ihnen zu erklären. Aber
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