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059 - Blutige Küsse

059 - Blutige Küsse

Titel: 059 - Blutige Küsse
Autoren: Dämonenkiller
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helfen. Bis zur vergangenen Nacht hatte sie diese erzwungene Rückkehr immer wieder bedauert. Doch nun nicht mehr. Sie hörte, dass ihre Mutter noch etwas sagte, doch sie bekam den Sinn der Worte nicht mehr mit. Liza dachte an die nächtliche Begegnung und die flache Taschenflasche. Sie musste um jeden Preis noch einmal von dem betörenden Trank kosten. Alles in ihr schrie danach. Sie wollte sich noch einmal von dem Count of Alkahest umarmen und küssen lassen. Dass er es gewesen war, stand für sie jetzt fest.
    Liza fuhr zusammen, als die Verbindungstür zwischen Ladenlokal und Wohnung ins Schloss fiel. Sie lief noch einmal zurück zum Spiegel, betrachtete ihren Hals, sah das Pulsieren ihrer Schlagader und wurde von einem süßen Gefühl der Schwäche erfasst.
    Während der Mittagspause konnte sie es nicht länger aushalten.
    Wegen ihrer jetzt rasenden Kopfschmerzen verzichtete sie auf das Mittagessen und stahl sich durch die Hintertür des Hauses in den Hof hinaus. Von dort aus lief sie über die Wiese hinüber zu den Nusshecken. Dort konnte sie schon nicht mehr vom Haus aus beobachtet werden.
    Sie brauchte die Hilfe des Count of Alkahest; sie brauchte den Trank, von dem sie wusste, dass danach ihr Kopf schmerzfrei sein würde. Sie rannte über Wiesen, stieg über Feldmauern aus zusammengetragenen Steinen, kletterte über Gatter und Zäune. Sie wurde vom Wasserschloss magisch angezogen. Sie hätte diesen Weg selbst mit verbundenen Augen gefunden.
    Loch Sinclair war ein blauer, tiefer See, eingeschlossen von grünen Bergen, die sich im Wasser spiegelten. Die Ufer waren zwar dicht bewaldet, doch nach einer Zone des Gestrüpps herrschte nackter Karst vor. Am Horizont zogen sich dichte Wolkenbänke zusammen, die Regen ankündigten. Es ging ein Wind, doch der Wasserspiegel kräuselte sich seltsamerweise überhaupt nicht. Das eben noch blaue Wasser nahm die stumpfe Farbe von Blei an, schien zäh und klebrig zu werden.
    Das Schloss des Grafen lag auf einer kleinen Insel, die wie der Rücken einer Schildkröte aussah. Eine gewölbte Steinbrücke verband die kleine Insel mit dem steilen, dicht bewaldeten Ufer. Sie war gut und gern fünfundzwanzig Meter lang und bestand hauptsächlich aus einer aufgeschütteten Rampe, die in den See hineinragte. Das Schloss schien aus hohen, abweisenden Mauern zu bestehen; nur wenn man genauer hinschaute, waren kleine schießschartenähnliche Fenster zu sehen. Abschreckender konnte keine menschliche Behausung sein. Das Tor zum Vorhof des Wasserschlosses erinnerte irgendwie an ein großes, lüsternes Maul, aber das mochte mit den augenblicklichen Lichtverhältnissen zusammenhängen. Ein fahler Lichtstrahl fiel auf dieses Tor und ließ es fast spöttisch grinsen.
    Ein aufmerksamer Beobachter hätte unschwer feststellen können, dass einige Möwen den Luftraum über dem Wasserschloss mieden. Sie kurvten lautlos – und auch das war seltsam – um das Schloss herum, aber immer, wenn sie eine bestimmte Distanz zu den Mauern erreicht hatten, flogen sie abrupt zur Seite; sie wichen vor dem Schloss zurück.
    Liza Trool hatte das Ufer erreicht. Von der schmalen Straße aus beobachtete sie die Insel. Sie suchte mit den Blicken die abweisenden Mauern ab und schien auf ein Zeichen zu warten. Liza atmete schwer und wunderte sich überhaupt nicht, wenig später ein paar andere junge Leute zu sehen, die weiter unten auf dem Weg am Ufer standen. Es waren junge Frauen und Männer im Alter zwischen achtzehn und vielleicht fünfundzwanzig Jahren. Auch für sie war das Wasserschloss ein riesiger Magnet, von dem sie magisch angezogen wurden. Sie schwiegen, sprachen nicht miteinander.
    Liza Trool merkte, dass ihre rasenden Kopfschmerzen nachgelassen hatten. Seit sie das Wasserschloss gesehen hatte, fühlte sie sich freier. Ein unerklärliches Glücksgefühl erfüllte sie für kurze Augenblicke. Gleichgültig drehte sie den Kopf herum, als unterhalb ihres Standortes ein junger Mann schluchzte. Er mochte etwa zwanzig Jahre alt sein und machte einen hinfälligen Eindruck. Sein hohlwangiges Gesicht war nur noch eine qualvoll verzerrte Maske. Seine Augen hatten einen fiebrigen Ausdruck. Er kniete, rutschte jetzt weiter nach unten. Wahrscheinlich wollte er sich noch näher an das Wasserschloss heranschieben.
    Keiner der jungen Menschen um ihn herum verhielt sich anders als Liza. Man sah den jungen Mann, doch man reagierte nicht. Der auf den Knien rutschende Bursche rollte jetzt über den Steilhang nach unten und
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