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059 - Blutige Küsse

059 - Blutige Küsse

Titel: 059 - Blutige Küsse
Autoren: Dämonenkiller
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saß in einem Sessel am Kamin und sah auf das kleine Fläschchen in seiner Hand. Bis zum vereinbarten Zeitpunkt fehlten nur noch wenige Minuten. Als oben im Haus eine Tür ging, schaltete er das Licht der Tischlampe aus; es sollte keinen neugierigen oder besorgten Hausbewohner herunterlocken. So sehr er den Hermaphroditen Phillip, den Puppenmann Chapman und auch Trevor Sullivan schätzte, jetzt hätten seine Freunde ihn nur gestört. Mit dem Erscheinen der Haushälterin war nicht zu rechnen. Wahrscheinlich las sie im Bett wieder einmal eine Gruselstory und genoss die Gänsehaut, die sie bei solcher Lektüre bekam. Miss Martha Pickford, immerhin schon etwas über sechzig Jahre alt, konnte von solchen Gruselgeschichten nie genug bekommen.
    Die letzten Sekunden bis Mitternacht tropften dahin. Dorian Hunter hatte bereits das kleine Fläschchen geöffnet und verfolgte den Sekundenzeiger. Als es dann so weit war, setzte er die Flasche an die Lippen und trank sie leer. Dorian lehnte sich erwartungsvoll zurück und horchte in sich hinein. Er wartete auf seinen Start und war ungeduldig. Natürlich wusste er ungefähr, wie Theriak wirkte, obwohl er es an sich selbst noch niemals ausprobiert hatte. Wenn er Coco Glauben schenken sollte, musste schon sehr bald die Kommunikation zwischen ihm und ihr hergestellt sein.
    Sie hatte sich gegen Mittag von ihm verabschiedet, um jenen geheimen Ort zu erreichen, an dem ihr gemeinsames Kind getauft werden sollte. Dorian hatte nicht die geringste Ahnung, wo sich dieser Platz befand; er musste sich ganz auf die übersinnliche Reise verlassen.
    Er war enttäuscht. Nichts rührte sich in ihm. Sein Geist erhob sich nicht zu dem erwarteten stürmischen Flug. Coco schien die Wirkung des Theriak erheblich überschätzt zu haben. Vielleicht war ihr auch die spezielle Mischung nicht geglückt.
    In diesem Moment erinnerte Dorian Hunter sich an die schneckenförmige Theriak-Zigarette, die er in Rom an sich genommen hatte. Ließ sich mit dieser Zigarette die Wirkung des von Coco hergestellten Tranks verstärken? Was konnte ihm schon passieren, wenn er diese geheimnisvolle Zigarette zusätzlich rauchte? Er besaß ja immerhin das Gegenmittel, das Coco für ihn zubereitet hatte. Mit dem Taxin-Theriak konnte er jeder Sucht entgegentreten.
    Er war schon unterwegs, um die Zigarette zu holen, denn er wollte den Zeitpunkt der Taufe seines Kindes um keinen Preis verpassen. Leicht und beschwingt lief er hinauf in sein Zimmer. Er glaubte zu schweben, als er die Stufen nahm, spürte sie überhaupt nicht unter seinen Füßen. Erstaunlicherweise brauchte er sich auch gar nicht zu erinnern, wo er die Zigarette hingelegt hatte. Mit traumwandlerischer Sicherheit holte er sie aus der flachen Schachtel, die tief hinten in der Lade seines Arbeitstisches lag. Seine Hände vibrierten leicht, als er sie sich bereits im Zimmer anzündete. Tief inhalierte er den Rauch und stieß ihn dann langsam aus. Ein zweiter Zug, dann ein dritter. Als er zurück zur Tür ging, explodierte der Raum um ihn herum. Er sah ganz deutlich, dass die Zimmerwände zu flammenden, kreisenden Farben wurden, deren Intensität ihn fast erschreckte. Dazu hörte er Töne, die vom schrillen Diskant bis zu sanft getragenen Melodien reichten. Die Töne mischten sich mit den Farben, wurden zu wirbelnden Feuerrädern, die vertropften, sich dehnten und dann wie Seifenblasen zerplatzten.
    Parallel dazu beobachtete Dorian seinen Zeigefinger, der sich verlängerte, spitz und spitzer wurde, sich zu einer sichelartigen Vogelschwinge auswuchs. Zerdrückt und zermalmt von einstürzenden, flammenden und tönenden Farbwänden flog er gleichzeitig steil hoch in das schwarze Universum. Sterne, explodierende Sonnen und eisbedeckte Planeten kreuzten seinen Weg, stürzten sich auf ihn, schmetterten ihn hinunter in einen kochenden Asphaltsee, dessen Gestank ihm fast die Kehle zuschnürte. Er landete sanft in diesem schmatzenden, zähen Brei und sah dann plötzlich Coco.
    Gleißender Lichtschein umfloss sie, war ihr Kleid. Sie hielt ein Kind in den Armen, das sie fest an sich presste, öffnete qualvoll ihren üppigen Mund und wollte ihm etwas zurufen. Der Mund, dessen Lippen er nur zu gut kannte, wurde immer größer, überflutete ihr Gesicht, löschte jede Einzelheit aus. Cocos Gesicht war nur noch Mund, der zu einem schwarzen, unergründlichen Tunnel wurde, in den er hineinkatapultiert wurde.
    Dorian hörte sich vor Angst und Grauen schreien. Er war für einen Moment das Kind,
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