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058 - Der Duft von Sandelholz

058 - Der Duft von Sandelholz

Titel: 058 - Der Duft von Sandelholz
Autoren: Gaelen Foley
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gleichzeitig zur Seite trat.
    Durch den Dunstschleier sah sie vier weiße Pferde, die eine rosafarbene gedrungene Barouche zogen. Als Lily das farbenfrohe Gefährt sah, lächelte sie zum ersten Mal an diesem Tag. Ihre Patin, Mrs. Clearwell, hatte den weiten Weg von Mayfair auf sich genommen, um hierher zu reisen.
    Sie wusste, dass die treue Kindheitsfreundin ihrer Mutter eingeladen war, ein paar Tage mit ihnen zu verbringen. Und auch wenn sie recht exzentrisch war, so kam Mrs.
    Clearwell doch stets in Krisenzeiten, um zu helfen.
    Wie durch Zauberhand schien der Regen nachzulassen, als Gerald, der Kutscher, sein Gespann neben Lily zum Stehen brachte. Er tippte sich an den Hut und sagte heiter:
    „Guten Tag, Miss Lily."
    Als sie ihm zunickte, zeigte sich plötzlich das graue Haupt ihrer Patin. „O beim Zeus, ich komme zu spät! Lily, Liebste, wie schrecklich von mir. Habe ich die ganze Zeremonie verpasst? Komm herein, mein Mädchen. Dummes Gänschen, was tust du da? Gehst du etwa im Regen spazieren?"
    „Ich genieße den Regen, und ja, ich fürchte, Sie haben den Gottesdienst verpasst.
    Aber das macht nichts." Lily konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Sie kommen gerade rechtzeitig zum Tee."
    „Zum Glück!" Mrs. Clearwell entstieg der Kutsche und kauerte sich unter Lilys Schirm.
    Die kleine, rundliche und mit Schmuck behängte Dame umfasste einen Moment lang Lilys Schultern, musterte ihr Gesicht mit einem Blick voller Mitgefühl und dann, in einer plötzlichen Gefühlsaufwallung, umarmte sie sie fest. „Mein liebes, liebes Mädchen. Armes Geschöpf! Du hast die ganze Last seiner Krankheit getragen, nicht wahr? Natürlich hast du das", sagte sie und schniefte ein wenig. „Warst du dabei, als er dahinschied?"
    „Ja." Angesichts der Freundlichkeit ihrer liebevollen Patin traten Lily die Tränen in die Augen. „Er wollte seine Medizin nicht mehr nehmen. Er sagte, er wollte dem Tod mit klarem Verstand entgegentreten."
    „Oh - noch am Ende ein Held."
    Lily nickte. „Er hatte solche Schmerzen."
    „Nun, jetzt ist er im Himmel bei deinem Vater. Na, na, liebes Kind. Geht es dir gut?"
    Lily brachte ein Nicken zustande und wischte sich eine Träne ab.
    „Tapferes Mädchen." Mrs. Clearwell tätschelte ihr die Wange.

    Sie war die Cousine ihrer Mutter und der einzige Mensch, den Lily kannte, der mit Lady Clarissa umgehen konnte. Ihre Freundschaft hatte Lily immer erstaunt. Die beiden Frauen waren so verschieden, wie es nur irgend denkbar war.
    Ihre Mutter hätte zum Beispiel niemals die sternenförmigen Nadeln getragen, die im Haar von Mrs. Clearwell funkelten. Vor allem nicht zu einem Begräbnis.
    „Oh!", rief die ein wenig korpulente Witwe plötzlich aus. „Lily, Kind, lass mich dich von diesem düsteren Ort fortbringen. Ich weiß, dass du eine Stubenhockerin bist, aber komm mit mir nach London. Ich bestehe darauf."
    Lily lächelte matt. „Ich glaube, mir stehen sechs Monate Trauerzeit bevor, so verlangt es der Brauch."
    „Der Brauch", höhnte ihre Patin mit funkelnden Augen. „Du bist in Trauer, seit du neun Jahre alt bist. Jetzt ist Schluss damit. Keinen Tag länger, sage ich dir! Lord Balfour hätte nicht gewollt, dass du unglücklich bist, genauso wenig wie ich."
    „Ach, Sie waren immer so freundlich zu mir."
    „Weil ich Großes in dir sehe, Lily."
    Lily schüttelte den Kopf bei diesen unsinnigen Worten ihrer Patin, wischte sich die feuchte Wange ab und redete sich ein, es wäre nur ein Regentropfen gewesen.
    „Also schön", schloss Mrs. Clearwell plötzlich. „Das ist damit geklärt. Du wirst mich in die Stadt begleiten, und wir werden eine großartige Zeit miteinander verbringen.
    Es gibt Konzerte, Dinner, Bälle und Soireen ..."
    „Ehrlich gesagt, ich habe nichts anzuziehen", unterbrach Lily sie, ein wenig schockiert, dass ihre Patin davon sprach, sie in die Gesellschaft einzuführen, so kurz nach einem Todesfall in der Familie.
    „Das Leben ist für die Lebenden", sagte Mrs Clearwell, als hätte sie Lilys Gedanken erraten. „Und was deine Kleider angeht, so mache dir darüber keine Sorgen. Wir werden dir im Nu ein paar besorgen. Kein Wort über die Kosten - ich versichere dir, diese spielen keine Rolle. Ich bin deine Patin, und wenn ich will, kann ich dich verwöhnen. Und du weißt, dass mein Norbert sehr reich verstorben ist."
    Lily sah sie unsicher an. „Es ist nicht leicht, Ihre Barmherzigkeit anzunehmen."
    „Ach was, Mädchen. Eine große Schönheit ein wenig in London herumzuführen,
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