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058 - Der Duft von Sandelholz

058 - Der Duft von Sandelholz

Titel: 058 - Der Duft von Sandelholz
Autoren: Gaelen Foley
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Familie Balfour."
    „So wird es sein. Wie auch immer, sie ist über das Alter hinaus, in dem sie den Rat ihrer Mutter braucht, oder? Ich kann nicht für dich sprechen, Liebes, aber ich an ihrer Stelle würde das Gefühl haben, meine Pflichten zu vernachlässigen."
    „Ach, komm schon."
    „Nein, wirklich! Worauf wartet sie, auf einen Prinzen? Einen Ritter in schimmernder Rüstung? Als ich in ihrem Alter war, hatte ich drei Kinder."
    Bei diesen nur allzu wahren Bemerkungen verzog Lily das Gesicht und warf einen prüfenden Seitenblick auf ihre Mutter.
    Mit ihren vierundvierzig Jahren war Lady Clarissa Balfour noch nicht willens, den Rang als eine der schönsten Frauen im Süden Englands abzugeben. Viele hielten sie außerdem für die energischste.
    Ihre kerzengerade Haltung in der hölzernen Kirchenbank bestätigte ihrer Tochter, dass auch sie das Gewisper gehört hatte. Aber anders als die schüchterne und gehorsame Lily drehte sie nur allmählich das blonde Haupt und bedachte ihre plaudernden Nachbarinnen schließlich mit einem vernichtenden Blick. Dieser musste die Damen gleichsam wie ein eiskalter Windstoß getroffen haben.

    Wie - können - Sie - es - wagen?
    Lily hörte hinter sich unterdrückte, erschrockene Laute, was sie aber nicht weiter überraschte. Sie kannte diese Reaktion nur zu gut.
    Sie sank auf ihrem Platz leicht in sich zusammen, wohl vertraut mit der Wirkung, die dieser Blick ihrer Mutter hatte. Sie war nur froh, dass diesmal nicht sie damit bedacht wurde.
    Ihre Mutter war die Tochter eines Earls - eine Tatsache, die zu vergessen niemandem in ihrer Nähe gestattet wurde. Sie war viel zu gut erzogen, um - Gott bewahre! - jemals ihre Stimme zu erheben. Dazu bestand natürlich auch keine Notwendigkeit, wenn sie doch in der Lage war, allein mit ihren Augen Macht über die Menschen zu haben.
    Als Lady Clarissa Balfour sich wieder nach vorn wandte, wirkte ihr makelloses Gesicht wie eine Maske aus Marmor, hart und weiß über der schwarzen Spitze ihres hochgeschlossenen Trauerkleides. Nachdem sie dem unangemessenen Verhalten der Nachbarinnen ein Ende gesetzt hatte, warf sie Lily einen kurzen zufriedenen Seitenblick zu.
    Das sieht Mutter ähnlich, dachte Lily.
    Sie erwiderte den Blick mit einem kurzen Nicken. Danach versuchte sie, sich wieder auf die Trauerrede zu konzentrieren, aber tatsächlich war es schwer, den nichtssagenden Floskeln des neuen Lord Balfour zu folgen. Es war nicht zu überhören: Er sprach über einen Mann, den er kaum gekannt hatte, einen Mann, den Lily und alle anderen Menschen im Umkreis von mehreren Meilen geliebt hatten.
    Abgesehen vielleicht von ihrer Mutter. Lady Clarissa war dem alten Viscount eine pflichtbewusste Schwiegertochter gewesen, aber selbst als Kind hatte Lily bemerkt, wie sich die beiden einander die Schuld am Tod ihres Vaters gaben. Stets hatte sie sich zwischen ihnen wie gefangen gefühlt. Tatsächlich hatte sie hier, ganz in Gedanken versunken, ehe die Nachbarinnen sie so grob unterbrachen, eine Entscheidung treffen wollen, welches Begräbnis schlimmer war - dieses oder das ihres Vaters.
    Tatsächlich war das keine wirkliche Frage. Heute war ihr Herz gebrochen, doch nichts ließ sich vergleichen mit dem Verlust, den sie vor fünfzehn Jahren erlitten hatte, als sie ein neunjähriges Kind war. Obwohl sie ihren Großvater innig geliebt und ihn jeden Tag gepflegt hatte, als er immer schwächer wurde, hatte sie ihrem Vater näher gestanden - zwei wie Pech und Schwefel, hatte ihr Kindermädchen immer gesagt.
    Außerdem war ihr Großvater alt und krank gewesen, und Lily hatte gewusst, dass er sterben würde. Als kleines Mädchen hatte sie noch nichts vom Tod geahnt, und sie hatte geglaubt, ihr wunderbarer Vater würde in Indien ein herrliches Abenteuer erleben, auf Elefanten reiten und prachtvoll gewandete Maharadschas treffen. Das hatte er ihr jedenfalls erzählt.
    Er hatte versprochen, mit einem Sack voller Rubine für ihre Mutter und einem voller Diamanten für sie zurückzukommen. „Meine kleine Prinzessin. Prinzessin Lily! Eines Tages wirst du das reichste und vornehmste Mädchen im ganzen Land sein ..." Gut aussehend, charmant und ein Träumer, hatte Langdon Bal-four immer eine Neigung zu maßlosen Übertreibungen gehabt, aber mit neun Jahren hatte Lily ihrem Vater noch jedes Wort geglaubt.
    Ungefähr ein Jahr später hatte die Nachricht, dass ihr Vater am Monsun-Fieber gestorben war, ihre ganze Welt zum Einsturz gebracht.
    Vielleicht fiel es ihr deshalb so
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