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058 - Der Duft von Sandelholz

058 - Der Duft von Sandelholz

Titel: 058 - Der Duft von Sandelholz
Autoren: Gaelen Foley
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schwer, der Rede des neuen Lord Balfour zuzuhören.
    Papa sollte dort stehen und allen von seinem Vater erzählen, dachte Lily. Papa hätte den Titel erben und seine Stellung als männliches Oberhaupt der Familie einnehmen sollen. Sie mochten dann noch immer bankrott sein, und der Niedergang ihrer Familie wäre demütigend gewesen, aber zumindest wären sie zusammen.
    Stattdessen war ihr nichts von ihm geblieben als die Erinnerungen an die Märchen, die er ihr erzählt hatte, und an einen Gartenpavillon, den er nicht mehr hatte fertigstellen können, da ihm das Geld ausging - und die Zeit.
    Jetzt waren sie ein Haushalt von Frauen mit sehr bescheidenen Einkünften, von denen sie leben mussten.
    Gott stehe uns bei, dachte Lily und ließ den Kopf sinken.
    Vermutlich hatte die unbekannte Nachbarin recht, und sie waren dem Untergang geweiht.
    Schuldgefühle kamen in ihr hoch. Vertraute Schuldgefühle. Vielleicht lagen die Frauen mit ihrem Gerede auch nicht so falsch, was diesen besonders schmerzhaften Punkt betraf. Du kannst all das lösen, wenn du nicht so selbstsüchtig wärest, sagte ihr Gewissen. Warum solltest du nicht heiraten, wenn das die Lösung für alles wäre?
    Sieh dir nur deine arme Mutter an. Sie hat schon genug durchgemacht. Sieh dir an, wie stolz sie ist. Sie ist nicht dafür geboren, arm zu sein.
    Du kannst das, sagte ihr das Gewissen und versuchte sie zu ermutigen. Du kannst sie retten. Du weißt, du kannst es, wenn du nur die Vergangenheit vergisst und deine Angst überwindest.
    Aber sie hatte Angst. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass ein gesundes Misstrauen gegenüber anderen Menschen und der Welt zum Überleben nötig war. Wenn ihr Vater ein gesundes Maß an Furcht besessen hätte, wäre er vielleicht noch am Leben.
    Furcht war auch etwas Gutes.
    Die Trauerzeremonie war nun vorüber. Die Klatschbasen waren geflohen, ehe die Gemeinde sich umwandte, um zu verfolgen, wie die Träger hinausgingen und mit ernsten Mienen den Sarg ihres geliebten Herrn mit sich nahmen.
    Während die Gentlemen in den angrenzenden Kirchhof hinausgingen, um denViscount zu beerdigen, stiegen die Damen in ihre Kutschen für die kurze Fahrt hinüber nach Balfour Manor, wo Lilys Familie einen bescheidenen Empfang gab.
    In königlicher Haltung ging ihre Mutter voraus, hob die Säume ihrer schwarzen Röcke über die Schlammlachen, während einer der treuen Diener - der schon seit Monaten nicht mehr bezahlt worden war - ihr nachlief, um einen Schirm über ihr unter der schwarzen Haube sorgfältig frisiertes Haupt zu halten.
    „Komm mit, Lily", rief Lady Clarissa. „Wir müssen für unsere Gäste bereit sein."
    Lily machte keine Anstalten, ihr zu folgen. „Eigentlich würde ich lieber laufen. Ich brauche ..." Sie verstummte, als sie den empörten Blick ihrer Mutter sah.
    „Lily, es regnet. Sei nicht albern."
    „Ich habe meinen Schirm dabei. Ich würde wirklich gern einen Moment allein sein.
    Wenn es dir nichts ausmacht, Mutter."
    Lady Clarissa starrte sie an. „Natürlich macht es mir etwas aus! Ich brauche dich, um die Gäste zu empfangen, sobald sie angekommen sind. Ich werde im Salon Tee einschenken. Du wirst in der Eingangshalle stehen."
    „Tante Daisy sagte, sie würde meinen Platz einnehmen. Ich werde gleich da sein."
    Lady Clarissa warf einen zweifelnden Blick zu ihrer untersetzten und gewöhnlich hilflosen, wenn auch gutherzigen Schwägerin.
    „Ja, ich werde an der Tür stehen", ließ sich Tante Daisy vernehmen.
    Lady Clarissa blickte gen Himmel.
    „Oh, lass sie doch, Clarissa. Das arme Mädchen will sich verabschieden."
    Lady Clarissa warf einen hochmütigen Blick zum Friedhof, anschließend zuckte sie die Achseln. „Trödle nicht", befahl sie Lily. „In zwanzig Minuten werden wir ein Haus voller Gäste haben, und ich brauche dich dort."
    „Jawohl, Madam." Lily nickte und warf Tante Daisy einen dankbaren Blick zu, als ihre Mutter sich umwandte. Dann stiegen Lady Clarissa und die beiden verbliebenen Mitglieder ihrer Entourage - die beständig plappernde Tante Daisy und Li-lys Cousine Pamela, der Bücherwurm, die die Nase rümpfte und ihre von Regentropfen bespritzte Brille putzte - in die schwarze Kutsche und brachen auf nach Balfour Manor.
    Das große Backsteinhaus lag nur einen Steinwurf von der Landstraße entfernt. Von hier aus war das Giebeldach zwischen den Baumwipfeln zu sehen.
    Es ist keine Ruine, dachte Lily abwehrend. Das Dach hatte vielleicht ein oder zwei Löcher. Na und?
    Während sie zusah, wie
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