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0566 - Hexenreich

0566 - Hexenreich

Titel: 0566 - Hexenreich
Autoren: Jason Dark
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einsehbaren Hintergrund des Vorgartens löste sich ein Tier, dessen Fell in der Dunkelheit blaßweiß schimmerte. Es war der Hirsch mit seinem mächtigen Geweih, das ebenfalls einen ungewöhnlichen Glanz abstrahlte, als wäre es aus dem reinen Sternenlicht gegossen worden.
    Die großen Augen des Tieres fielen ebenfalls auf. Sie besaßen die gleiche Farbe wie die der geheimnisvollen Frau.
    Vor ihnen blieb der Hirsch stehen. An seinem Ohr hörte Bill Conolly den flüsternden Befehl. »Bitte, steig auf…«
    Bill umfaßte das Geweih und zog sich mit einem Ruck in die Höhe. Ohne Schwierigkeiten schwang er sich auf den Rücken des Tieres, beugte sich vor und fand wieder Halt am Geweih.
    Margareta stieg hinter ihm auf. Sie schnalzte einmal mit der Zunge. Im nächsten Moment startete das ungewöhnliche Tier. Bill sah den Garten plötzlich unter sich liegen und erwachte aus seinem hypnotisierten Zustand.
    Glasklar kam ihm zu Bewußtsein, daß er auf ungewöhnliche und unerklärliche Weise entführt worden war.
    »Biiiill…«
    Ein letzter dünner Schrei wehte zu ihm hoch. Er klang sehnsüchtig und verzweifelt.
    Sheila hatte ihn gerufen wie einen Abschiedsgruß für immer…
    ***
    Sie erwachte und kam sich vor wie jemand, der lange, sehr lange geschlafen hatte.
    Dabei waren es nur Minuten gewesen, aber sie fand, obwohl sie wach war, nicht die Kraft, sich auf die Beine zu stemmen. Statt dessen hörte sie Schritte, die näher kamen, sie passierten und sich in Richtung Haustür bewegten.
    Jemand sagte ein oder zwei Worte, die sie sehr genau verstand.
    »Hexenland und Hexenreich…«
    Mehr bekam sie nicht mit. Nur die kältere Luft, die auch in den Flur floß und über ihr Gesicht strich. Sie sorgte dafür, daß sie die letzten Schatten abstreifen konnte.
    Sheila war klar, daß jemand etwas von ihrem Mann wollte. So wie Bill um sie kämpfte, so wollte sie um ihn kämpfen. Da waren sie ein eingeschworenes Team.
    Sie stand auf.
    Kaum auf den Beinen, taumelte sie zur Seite und hatte Mühe, sich abzustützen. Der Schwindel ging schnell vorbei. Die Tür war nicht geschlossen, und Sheila, die unbedingt etwas erreichen wollte, lief schwankend auf die Tür zu.
    In ihrem Kopf summte es, als hätten sich zahlreiche Bienen hinter der Stirn breitgemacht.
    Sie taumelte aus der Tür – und schaute in einen leeren Garten. Keine Spur von Bill und der Fremden.
    Oder?
    Ihr Blick fiel gegen den dunklen Nachthimmel. Was sie dort sah, ließ sie fast an ihrem Verstand zweifeln.
    In der Luft schwebte ein Hirsch, dessen Fell bleich leuchtete. Auf seinem Rücken saßen zwei Personen.
    Bill und die Fremde!
    Sie ritten in die Nacht hinein, als wollten sie die Unendlichkeit des Sternenhimmels ergründen. Bill saß vorn, Margareta hinter ihm. Sie hielt den Reporter mit beiden Armen umschlungen, als wollte sie bei ihm Halt für die Ewigkeit suchen.
    Sheila rief seinen Namen, doch Bill hörte nicht. Jedenfalls reagierte er nicht darauf, und ihr Ruf verwehte in der stillen Winternacht.
    Sheila spürte, daß sie jetzt Kraft haben mußte, so schwer es ihr auch fiel. Sie ging langsam zurück und stieß gegen die Kante der Tür. Als sie mit der Zungenspitze über ihre Lippen strich, schmeckte sie den salzigen Schweiß der Tropfen.
    Noch einmal blickte sie hoch.
    Der Himmel war weit, die Sterne funkelten, und es sah so aus, als hätten Bill und Margareta sie bereits erreicht, um zwischen ihnen in eine andere Welt einzutauchen.
    Dann waren sie verschwunden.
    Bei Sheila blieb nur mehr die Erinnerung zurück. Sie kam sich vor wie eine mondsüchtige Person, als sie über die Schwelle ins Haus zurückging. Sie fühlte sich verlassen, ausgelaugt, schwindlig. In ihrem Kopf rasten die Gedanken ohne eine klare Linie finden zu können. Dieser Unfall und die anschließende Entführung hatten sie erwischt wie ein harter Schlag ins Gesicht.
    Mit zitternden Knien ging sie weiter und blieb erst stehen, als sie die auf dem Boden liegende Wölfin erreicht hatte. Dort beugte sie sich nieder, strich durch das Fell und schob eine Hand unter Nadines Kopf. Ihr schlimmer Verdacht hatte sich nicht erhärtet. Die Wölfin mit der Seele eines Menschen lebte noch.
    Mit müden Bewegungen stand sie auf. Eigentlich hätte sie jetzt weinen sollen, nur wollten keine Tränen fließen. In ihr war etwas verhärtet, verstockt. Es gelang ihr nicht, sich durch einen Tränenfluß Erleichterung zu verschaffen.
    Im Wohnraum wollte sie sich in einen Sessel setzen, als sie die Stimme ihres Sohnes
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