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056 - Der Werwolf

056 - Der Werwolf

Titel: 056 - Der Werwolf
Autoren: Hivar Kelasker
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Feld. Es war Spätherbst. Die ersten Fröste drohten.
    Wieder ein Blitz, ein langhallender Donner. Von Westen schob sich eine Regenwand heran.
    Als Christian Franke den ersten Zaun erreichte, wußte er, daß er es schaffen konnte. Natürlich würden sie zuerst in seiner Wohnung nach ihm suchen. Er mußte ihnen zuvorkommen.
    Er blieb stehen. Das Stechen in seinen Lungen wurde unerträglich. Langsam drehte er sich um. Sein Blick wanderte den Weg entlang, den er gekommen war. Ein erster, wütender Windstoß peitschte die Bäume. Plötzlich sah Franke, daß er einen Verfolger hatte.
    „Ein Hund! Sie suchen mich mit Hunden!“ schrie er entsetzt auf. Trotz seiner Furcht zwang er sich, genauer hinzusehen. Der Hund bewegte sich ziemlich merkwürdig, ganz anders als die, die er kannte. Er hatte zwar den Kopf eines Schäferhundes, aber länger und mit einer Art Mähne.
    Wie ein Blitz durchzuckte es den Mann. „Das – das ist kein Hund!“ keuchte er. Er erinnerte sich wieder an die Zeitungsmeldung und die Nachrichten in der Regionalschau des Fernsehens.
    „Das ist ein Wolf – der  von da drüben!“
    Christian Franke stockte der Atem. Er warf sich herum und begann zu rennen. Er wußte, daß ihm nun noch ein Feind auf den Fersen war.
    Noch einmal nahm der Mann seine letzten Kräfte zusammen und lief auf den Ort zu, der hinter dem kahlen Feld sichtbar wurde. Mit einem gewaltigen Platzregen entlud sich jetzt auch das Gewitter über ihm. Grelle Blitze wechselten mit tosenden Donnerschlägen – ein Inferno entfesselter Naturgewalten.
    Ein einzelnes, winziges Haus schob sich in Frankes Blickfeld, und hinter sich glaubte er das winselnde Keuchen des jagenden Wolfes zu hören. Er spürte Grauen im Nacken, ein eisiger Schauer rann ihm über den Rücken, der nicht vom Regen herrührte.
    Knatternd zuckten die Blitze durch dunkle Wolkengebirge, unaufhörlich krachte der Donner. Schwere Regentropfen und vereinzelte Hagelkörner hämmerten auf die gekrümmten Schultern des dahinrasenden Mannes.
    Der Wolf war keine dreißig Meter hinter ihm. Er lief genau in der Spur, die Christians Füße in das nasse, von Schloßen bedeckte Gras getreten hatten.
    Panische Furcht erfüllte Franke. Sie machte ihn halb besinnungslos.
    Die ersten Gebäude schälten sich aus dem dichten Regenschleier.
    Er rannte wieder los, und im Laufen riß er eine lange Latte aus dem Zaun eines halb offenen Weidegatters. Der Mann zwängte sich hindurch, umrundete einen Heuwagen, der mit einem platten Reifen dastand und sah im letzten Augenblick, durch Hagel und Regen halb geblendet, das kleine Häuschen mit der offenen Tür.
    Christian stolperte nach links, den Wolf hinter sich. Im selben Augenblick schlug unmittelbar in seiner Nähe ein Blitz ein. Der Donner betäubte ihn fast, und in seinen Ohren begann es zu summen. Christian rannte über einen Steg, der einen Graben überspannte, schob sich an einem triefenden, vom Sturm geschüttelten Busch vorbei und schlüpfte in das Häuschen hinein. Erst im letzten Augenblick erkannte er das Zeichen, einen schwarzen Blitz im grellgelben Feld: Vorsicht, Hochspannung!
    Gleichgültig, hier war er sicher vor dem Tier.
    Die Arbeiter mußten vergessen haben, abzusperren, und der Wind hatte die Tür wohl aufgedrückt. Christian drehte sich um und stemmte sich gegen die stählerne Platte. Wieder schlug ein Blitz ein, wieder hallte der Donner über Marzing hinweg und machte Franke fast taub. In diesem Augenblick sah Christian den Wolf.
    „Nein!“ schrie er auf. Der Wolf stand in der Mitte des freien Raumes zwischen den Gittern, den dicken Leitungen und Hebeln. In dem kleinen Umspannhäuschen roch es plötzlich fremd und unheimlich.
    Christian hob zögernd die abgebrochene Zaunlatte. Ein rostiger Nagel zielte auf das Auge des Wolfes. In diesem Augenblick erinnerte er sich an ein Gespräch mit dem Irrenarzt, dem er gesagt hatte, er würde sich am liebsten in ein wildes Tier verwandeln, um sie alle zu bestrafen. Und jetzt war er selbst von einem schwarzen, zottigen Wolf bedroht.
    „Hinaus! Geh weg! Hier ist die Tür!“ rief er. Die Angst machte seine Stimme zu einem undeutlichen, leisen Murmeln. Der Wolf rührte, sich nicht, er kniff nur die grünlich leuchtenden Augen ein wenig zusammen.
    Ein Regenschauer wehte durch die offene Tür herein. Dann ging der Wolf langsam einige Handbreit zurück. Christian sah, wie sich die Muskeln des Tieres spannten. Er hob die Latte höher und wich zurück.
    „Nein! Das nicht!“ schrie er.
    Der
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