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056 - Der Werwolf

056 - Der Werwolf

Titel: 056 - Der Werwolf
Autoren: Hivar Kelasker
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gesprochen. Er war ernsthaft krank, und er hat mir wuterfüllt erzählt, daß er am liebsten ein Raubtier sein möchte, um es uns allen zu zeigen, wie er sich ausdrückte.“
    Barbara beruhigte ihren Hund, der im Hintergrund zu bellen begann, dann fragte sie mit merkwürdiger
    Erregung in der Stimme: „Sag mal, Gerd … was ist wirklich passiert? Warum erzählst du so weitschweifig?“
    „Er hatte den Wunsch, sich in einen Wolf oder Leoparden zu verwandeln, wollte sich in einer Höhle verstecken und uns alle niedermachen. Übrigens … hast du die Nachrichten gehört?“
    „Nein, Gerd. Warum fragst du?“
    Der Arzt holte tief Luft und entgegnete: „Es muß doch im Fernsehen gekommen sein!“
    „Ich war in den letzten drei Tagen ständig unterwegs. Abends war ich froh, wenn ich rechtzeitig ins Bett kam. Spann mich nicht auf die Folter, Gerd!“
    „Du weißt aber, daß neben der Leiche deines Mannes auch Spuren eines schwarzen Wolfes gefunden wurden?“
    „Ja, natürlich!“
    „Allem Anschein nach war es derselbe Wolf, der das Haus von Kollege Lassner überfallen hat. Vor drei Tagen. Das Tier hat, das sagten mir die Männer von der Polizei, zuerst den Schäferhund niedergemetzelt, dann das zwei Monate alte Kind getötet und auch die Frau angegriffen. Als Anita Lassner zu schreien anfing, kam ihr Mann, und den hat der Wolf ebenfalls umgebracht. Dann setzte er sich mitten auf den Hof und begann zu heulen. Damit weckte er das ganze Dorf auf. Irgend jemand rief die Landpolizei. Nur Anita Lassner überlebte dieses Massaker. Das wollte ich dir sagen.“
    Barbara schwieg verständnislos. Sie hatte keine Ahnung, weshalb Gerd ihr diese schreckliche Geschichte erzählte. Glaubte er denn, daß ihr Mann und dessen wahnsinniges Verlangen, ein Wolf zu werden, damit in Zusammenhang stand?
    „Das habe ich nicht gewußt, das mit Lassner und seinem Baby“, sagte sie endlich. „Es tut mir leid. Weiß man schon Genaueres?“
    „Noch nicht. Aber ich habe ein verdammt ungutes Gefühl, Babsi.“
    „Wegen uns?“
    „Nein. Ich bin alles andere als abergläubisch, aber irgendwie macht mich das nachdenklich.“
    Unvermittelt fragte Barbara: „Magst du mich noch, Gerd?“
    „Aber sicher!“ sagte er. „Hätte ich sonst angerufen? Ich fahre gleich los, wenn ich hier fertig bin.“
    „Ich freu mich, Gerd. Und … und das andere, darüber sprechen wir noch, ja?“
    „Natürlich, Barbara!“ erwiderte er und legte auf.
    Gerd Becker glaubte nicht im entferntesten an Märchen von Werwölfen, aber in ihm blieb ein Rest Nachdenklichkeit zurück. Ein gewisses Unbehagen und eine deutliche Spur von Furcht, die aus seiner Unfähigkeit kam, die Geschehnisse als bloße Zufälle zu werten.
    Als er von seiner kleinen Dienstwohnung in die Anstalt hinüberging, blieb er kurz stehen.
    Er starrte in Richtung der Berge, die den Kern des Naturschutzparks bildeten. Wälder, Lichtungen und undurchdringbares, urwaldähnliches Gestrüpp. Becker hatte das Gefühl, daß von dort noch weiteres Unheil kommen würde.
     

     

„Natürlich weiß ich das!“ schrie der Mann, dessen braune Hand den Telefonhörer umklammert hielt. „Ich höre Nachrichten, lese Zeitung und sehe fern. Außerdem war ich dabei, wie man das Biest freigelassen hat.“
    „Herr Oberförster!“ sagte der Beamte aus der Stadt, „es war nicht meine Absicht, Sie zu ärgern.“
    „Das hoffe ich!“ knurrte der Förster. Er war für den Teil des Naturschutzgebietes verantwortlich, in dem sich der Wolf nach Aussagen von Augenzeugen versteckt hielt.
    „Jedenfalls gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder fangen wir das Tier ein, oder es muß erschossen werden. Das ist wohl Aufgabe der zuständigen Forstmeisterei.“
    „Das ist es. Aber bedenken Sie auch, daß wir hier ein riesiges, urwaldartiges Gebiet haben. Ich habe weder genügend Männer noch Hunde zur Verfügung. Auch wenn ich alle Polizisten um Amtshilfe bitte, kann ich für nichts garantieren. Wir würden nicht einmal einen Elefanten finden!“
    „Sie können also nicht für einen Erfolg garantieren?“
    „Nein“, erwiderte der Oberförster und schielte in die Richtung des Gewehrschrankes. „Es genügt, wenn Sie uns die Presse und die Leute vom Fernsehen vom Leibe halten.“
    „Wir versuchen unser Bestes!“ war die Antwort. „Wie lange werden Sie brauchen?“
    Der Förster lachte kurz.
    „Wenn er einem meiner Männer oder mir direkt vor die Büchse läuft – zwei Sekunden.“
    „Das wäre wohl ein arger Zufall!“
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