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056 - Der Werwolf

056 - Der Werwolf

Titel: 056 - Der Werwolf
Autoren: Hivar Kelasker
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heiserer Husten schüttelte den muskulösen Körper und löste dabei neue Schmerzwellen aus. Es klang wie das Röcheln eines Schwerkranken. Der Rachen des Wolfes war dabei weit aufgerissen und es sah aus, als grinse er.
    Frankes Verstand war endgültig über den schmalen Grat geglitten, der ihn noch gestern abend von dem Wesen des Wolfes getrennt hatte.
    Dieser haßerfüllte, verwirrte Verstand befand sich nun im Körper des Wolfes und beherrschte ihn, aber noch fehlte die Harmonie zwischen beiden.
    Der Wolf spürte die Veränderung, sein Instinkt befahl ihm, sich erst einmal zu verstecken. Auf zitternden Beinen stolperte er in den beginnenden Morgen und lief in die Richtung, aus der er gestern gekommen war.
    Zurück in die Höhle – ins Naturschutzgebiet!
    Christian Franke begriff plötzlich, daß er endlich ein Werkzeug seiner Rache gefunden hatte – den Killerwolf! Er würde sich an seiner Stelle an allen Menschen rächen, die ihm jemals etwas Böses angetan hatten.
    Dazu brauchte der Wolf Kraft. Er mußte sich erst erholen, fressen und saufen!
    Die Muskeln des Tieres gehorchten nur widerwillig, aber jeder Schritt machte sie geschmeidiger und vertrieb den ziehenden Schmerz. Sein Pelz war an vielen Stellen angeschmort und fiel in kleinen Bündeln ab.
    Mehr und mehr entfernte sich der Wolf von Marzing und trabte auf den Hügel zu, seiner Höhle entgegen. Endlich nahm er die Witterung einer großen Schafherde auf. Schafe waren dumme Tiere. Es würde nicht schwer sein, Beute zu machen und sich den Wanst richtig vollzuschlagen. Dann würde er schlafen, bis Müdigkeit und Erschöpfung vergingen.
     

     
    Die ersten Sonnenstrahlen trafen Marzing, als der Wolf den höchsten Punkt des Hügels erreichte und sich umdrehte. Für ihn begann jetzt ein neues Leben.
    Ein Leben der Rache!
    Gerd Becker sah auf die Uhr. Ihm blieb noch eine halbe Stunde, ehe er hinüber mußte zu seinen Patienten. Er stellte das Telefon vor sich auf den Tisch und begann zu wählen. Nach dem dritten Freizeichen meldete sich Barbara.
    „Franke.“
    „Ich bin’s, Gerd“, sagte er. „Treffen wir uns heute Abend?“
    „Gerd!“ rief sie erfreut. „Natürlich, gern. In der Stadt?“
    Er hatte die Nummer ihrer Zweitwohnung gewählt. Sie lag neunzig Kilometer entfernt am Rande der Landeshauptstadt.
     
     

     
     
    „Ja, selbstverständlich. Bei mir oder bei dir?“
    Barbara Franke lachte. Dr. Becker versuchte sich vorzustellen, was sie im Augenblick tat. Er lächelte, wurde aber gleich wieder ernst.
    „Also bei mir“, sagte er, ohne ihre Antwort abzuwarten. „Was tust du gerade?“
    „Ich kümmere mich um die Buchführung. Übrigens, warum rufst du schon am Mittag an, Gerd?“
    „Es sind einige merkwürdige Dinge passiert, Liebling. Die Polizei war vorhin bei mir“, erwiderte er.
    Er hörte, wie sie erschreckt aufseufzte.
    „Die Polizei? Wegen … wegen Christian?“
    „Ja und nein“, sagte der Arzt. „Dein Mann ist begraben, aber … Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll!“
    „Was ist los? Deine Stimme klingt plötzlich so merkwürdig“, sagte Barbara Franke beunruhigt.
    Gerd räusperte sich.
    „Hör zu“, sagte er schließlich, „eigentlich sollte ich es nicht sagen, aber wir hätten heute abend ohnehin darüber gesprochen. Dein Mann hatte, nachdem ihn Doktor Lassner von der Baustelle geschleppt und behandelt hatte, einen zweiten Anfall von akutem Verfolgungswahn. Als Krankenwagen kam – übrigens eine hervorragende Diagnose von Lassner – muß er gehört haben, daß Lassner ihn nach Otterfing schicken wollte. Daraufhin schlug er wie rasend um sich und mußte überwältigt werden.“
    „Gerd“, sagte sie nervös, „das weiß ich doch!“
    „Schon gut“, meinte er. „Ich fasse nur zusammen. Ich habe lange dar über nachgedacht.
    Also, er schrie, daß er sie alle umbringen würde. Seinen Vater, dich und deinen Hund, Doktor Lassner und natürlich mich. Wir hätten es darauf abgesehen, ihn für verrückt zu erklären. Das sind typische Merkmale dieser Krankheit. Aber das allein hat mich nicht nachdenklich gemacht.“
    „Was dann?“
    Gerd Becker hörte, wie sie sich eine Zigarette anzündete und hastig inhalierte.
    „Christian Funke“, begann er. Es störte ihn noch immer, diesen Namen auszusprechen, obwohl es keinen Grund mehr gab, Schuldgefühle zu empfinden.
    Trotzdem frustrierte es ihn.
    „Dein Mann war bis zu seinem Ausbruch bei mir in Behandlung. Das weißt du natürlich auch; wir haben schon darüber
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