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0556 - Milenas Opferstätte

0556 - Milenas Opferstätte

Titel: 0556 - Milenas Opferstätte
Autoren: Jason Dark
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Hand auf die Öffnung. In der rechten hielt ich das aufgeklappte Taschenmesser schnittbereit.
    »Wo willst du den Schnitt ansetzen?« fragte Bill.
    »In den Daumen. Habt ihr Pflaster?«
    »Ich hole es«, sagte Glenda.
    Sie lief rasch hinaus. Wahrscheinlich war sie froh darüber, so brauchte sie nicht zusehen, wie ich in die Kuppe meines Daumens hineinschnitt.
    Natürlich stand ich auch unter Spannung. Durch meine Aktion konnte ich einiges verändern, da hatte Glenda mit ihren Befürchtungen schon recht gehabt. Vielleicht weckte ich damit tatsächlich Kräfte, die besser im verborgenen geblieben wären. Aber konnte es nicht auch so sein, daß man mir die Urne geschickt hatte, um Hilfe zu erwarten?
    Damit mußte ich auch rechnen.
    »Bist du bereit?« fragte Bill leise.
    »Okay.« Ich stach zu. Der Schmerz war auszuhalten, als die Schneide in die Kuppe glitt und dort einen Spalt hinterließ. Sofort quoll das Blut hervor. Es pumpte regelrecht aus der Wunde, rann an der rechten Seite entlang, bildete den ersten Tropfen, der in die Urne und damit auf die Asche fiel.
    Der zweite folgte, der dritte ebenfalls, danach zog ich den Daumen weg und preßte mein Taschentuch gegen die Wunde.
    In diesem Augenblick kam auch Glenda mit dem Pflaster. »Ist es vorbei?« fragte sie.
    »Klar!« rief Bill und lachte leise.
    Sie trat langsam und irgendwie erwartungsvoll näher. »Was ist passiert?«
    »Ich habe eine kleine Wunde«, erklärte ich. »Bitte sei so gut und klebe mir ein Pflaster auf den Daumen.«
    Das hielt sie schon bereit. Die Größe stimmte auch. So bekam meine Daumenkuppe einen kleinen Hut. »Ich danke dir.«
    Glenda nickte nur und schielte von der Seite her in die Urnenöffnung. Im Innern des Gefäßes hatte sich nichts getan. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, daß die Asche anfangen würde zu kochen.
    Rauch hätte aufsteigen müssen, nichts davon passierte.
    Fast waren wir enttäuscht.
    Bill sprach es aus. »Ich frage mich, weshalb man dir so sehr nahegelegt hat, es mit drei Tropfen Blut zu versuchen. Da ist doch nichts los, verflixt.«
    Ich nahm die Urne an mich, kippte sie vorsichtig und leuchtete mit der Lampe hinein. Der feine Strahl traf die graue Asche, wo deutlich die feuchten Flecken zu erkennen waren, die mein Blut hinterlassen hatte. Mehr aber auch nicht.
    »Kein Vampirgeist«, sagte Suko und schaute dabei in die Runde.
    »Was jetzt?«
    »Nichts.«
    »Da frage ich mich, ob wir überhaupt fahren sollen«, meinte Bill.
    »Es kann sich doch jemand einen Scherz erlaubt haben.«
    »Das wäre aber ein komischer«, sagte Glenda.
    Ich legte den Deckel wieder auf die Urne. »Also im Orient wäre zumindest ein Geist hervorgekrochen und hätte sich nach unseren Wünschen erkundigt. Aber hier…«
    »Sei mal ruhig.« Die Worte hatte Suko gesagt. »Ich glaube, da tut sich doch etwas.«
    Niemand sprach mehr. Sofort hielten wir den Atem an und richteten unsere Lauscher gegen die Urne.
    Suko hatte sich nicht verhört. Im Innern der Urne mußte etwas vor sich gehen. Wir hörten ein Kratzen und Brodeln, auch ein leichtes Zischen, wie aus einem großen Kochtopf.
    Sekundenlang hörten wir zu, dann hob Suko den Kopf an und räusperte sich. »Verdammt noch mal, mir scheint, wir haben der Asche unrecht getan.«
    Ich faßte wieder nach dem Deckel und holte gleichzeitig das Kreuz hervor. Es bekam seinen Platz auf dem Schreibtisch neben der Urne.
    Drei Augenpaare starrten mich an, als ich den Deckel langsam in die Höhe hob.
    Wieder rechneten wir damit, daß Hauch hervorquellen würde.
    Das war nicht der Fall.
    Dafür vernahmen wir das Brodeln und Köcheln lauter als zuvor.
    Ich traute mich als erster in die Öffnung hineinzuschauen.
    Ein Blick reichte mir, um mich blaß werden zu lassen. Ich zuckte zusammen, angestarrt von meinen Freunden.
    »Was ist denn?« fragte Bill.
    »In… der Urne befindet sich keine Asche mehr. Sie hat sich verändert.«
    »Was ist es jetzt?«
    »Es sieht aus«, sagte ich leise, und meine Worte tropften in die erwartungsvolle Stille. »Wie ein blutiger Klumpen, in dem zwei Augen schimmern…«
    ***
    Sekundenlang sagte niemand etwas. Jedem von uns war die Fassungslosigkeit anzusehen, natürlich auch mir. Ich spürte auf dem Rücken die Gänsehaut, und meine Finger zitterten, als ich wieder nach der kleinen Bleistiftleuchte griff.
    »Ich will es nicht sehen!« flüsterte Glenda. »Bitte nicht.« Sie wich auch zurück.
    »Keine Sorge, das brauchst du nicht.«
    Bill beugte sich vor. »Ist es so schlimm,
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