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054 - Gabe und Fluch

054 - Gabe und Fluch

Titel: 054 - Gabe und Fluch
Autoren: Bernd Frenz
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fliehen.«
    Japan verlassen… Noch vor wenigen Jahren hätte Fudoh diese Idee als Hochverrat gebrandmarkt. Jetzt konnte er nur noch zustimmen. Was nutzte der Stolz, wenn sie am Ende alle tot und begraben waren? Ohne Nachfahren, die von ihren edlen Taten sangen…
    Blanker Hass spülte die Trauer in seinem Herzen fort. Oh, wie gerne wurde er es den Amerikanern und ihrem Weltrat mit gleicher Münze zurückzahlen! Sie dort treffen, wo es am meisten schmerzte: in der eigenen Heimat.
    Es durchzuckte General Fudoh wie ein Blitz.
    Warum eigentlich nicht? Was hatten sie noch zu verlieren?
    Ein Lachen zwischen Trotz und Wahn drang aus seiner Kehle. Er fasste Sunos Kinn zwischen seinen Händen und blickte ihr tief in die Augen. »Wir werden die Heimat verlassen«, versprach er ihr. »Schon morgen beginnen die Vorbereitungen, dafür werde ich sorgen.«
    Ihre stumpfen Augen bekamen neuen Glanz. Sie konnte ihr Glück kaum fassen.
    »Wirklich?«
    »Ja, gewiss. Und weißt du, wohin wir ziehen? Nach Amerika! Dort suchen wir uns das schönste Stück Land, das sie zu bieten haben, und nehmen es ihnen weg, so wie sie uns alles genommen haben. Was sagst du dazu?«
    Sunos Augen blitzen vor Begeisterung. »Das ist ein guter Plan«, jubelte sie. »Selbst wenn Ihr alleine gehen solltet, General, bei dieser Reise will ich dabei sein.«
    So viel Lebensmut nach einer solchen Schlacht. Wie groß war doch ihre Sehnsucht nach einem neuen Ziel. Nun gut, er wurde Japan eines geben. Eine hochseetüchtige Flotte musste gebaut werden, mit der sie sich, nach und nach, über die endlosen Weiten des Pazifik absetzen konnten. Auf halbem Weg würden sie Hawaii erobern und von dort aus die Westküste der Vereinigten Staaten infiltrieren.
    Fudoh dachte gar nicht daran, die Fehler der Mongolen zu wiederholen. List und Geschick brachten sie anfangs gewiss weiter als brachiale Gewalt. Ihre Stunde schlug erst, wenn sie Fuß gefasst hatten. Dann würden sie bittere Rache nehmen: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
    »Wenn wir in Amerika landen, wirst du an meiner Seite stehen«, schwor er Suno, als Lohn für ihre Inspiration. Er sollte sein Versprechen einlösen, nur vierzehn Monate später…
    »Ich habe sie gefunden! Sie liegt in Fudohs Zelle.«
    »Komm, fasst mal mit an.«
    »Warum ist sie nur allein hierher gekommen?«
    Stimmengewirr drang wie aus weiter Ferne zu Aruula durch. Fudoh hörte es ebenfalls und wurde davon geweckt. Die Verbindung zwischen ihnen zerriss. Was danach folgte, war ein vielstimmiger Kanon, der direkt in Aruulas Kopf erscholl. ... ist denn hier los? ... ich glaube, die Barbarin... ist ja schrecklich...
    »Seid doch ruhig«, bat sie verzweifelt. »Das Geplappere geht mir auf die Nerven.« Aruula presste ihre Hände auf die Ohrmuscheln, aber das konnte die wirbelnden Wortfetzen nicht stoppen. Sie erklangen direkt in ihrem Kopf.
    Mit jedem Atemzug, den sie machte, erhöhte sich die Zahl der Stimmen. Erst waren es nur die Menschen, die sich in der Zelle um sie drängten, dann die des ganzen Blocks; später hallten die Gedanken aller Menschen des unterirdischen Komplexes in ihr wider:… ja … pass… darum… kann… Schwert… gib…
    Die Sätze lösten sich auf, bis nur noch ein sinnloser Wortteppich in ihrem Schädel dröhnte. Ihr Kopf begann zu schmerzen. Ein Stöhnen entrang sich ihrer Kehle.
    »Sie kollabiert!«, brüllte Matt. »Helfen Sie ihr doch!«
    »Einen Moment«, forderte Dinter. »Wir müssen erst wissen, ob sie etwas über die Raketen herausgefunden hat.«
    Die Frage drang nur dumpf durch das Chaos ihres Kopfes, doch Aruula konnte sie gerade noch verarbeiten. »Nein«, brachte sie mühsam hervor. »Keine Raketen! Die Japaner sind am Ende. Ihr Volk zählt nur noch wenige Zehntausend. Alles was sie haben, sind ihre kamikaze - die Untoten.«
    »Phantastisch!«, jubelte Dinter.
    Aruula fühlte sich plötzlich schwerelos. Es dauerte einen Moment, bis sie verstand, dass Matt sie auf die Arme genommen hatte. Die Welt um sie herum verschwamm. Das Letzte, was sie bewußt wahrnahm, war Fudoh, der mit versteinerter Miene hinter dem Gitter stand.
    Matt konnte seine Gefährtin nur wenige Meter alleine tragen, dann begann sie plötzlich wild um sich zu schlagen. Dinter, Aiko und Brina mussten mit anpacken, um sie zu bändigen. An Armen und Beinen schleppten sie die Barbarin die Gänge entlang, direkt ins Labor der WCA-Wissenschaftler.
    »Wir müssen sie fixieren, sonst verletzt sie sich noch selbst!«, rief Dinter. »Am besten auf dem Stuhl!«
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