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0520 - Das blaue Einhorn

0520 - Das blaue Einhorn

Titel: 0520 - Das blaue Einhorn
Autoren: Werner Kurt Giesa
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wollte. Aber er war wach; er sah sie aus seinen tiefblauen Augen an, bewegte die winzigen Finger - und schlief sofort wiedsr ein.
    Ob er denselben Traum gehabt hat? fragte sich die junge Mutter, und: Träumen Säuglinge überhaupt schon?
    Wenn ja, werden ihnen ihre Träume bewußt?
    Sie trat von dem Kinderbettchen zurück und hockte sich auf ihre eigene Bettkante. Sie fühlte Angst in sich nachwirken, die der Traum in ihr erzeugt hatte. Nein, eigentlich war es keine Angst, nur starke Unruhe, Erschrecken über die Vernichtung des blauen Einhorns. Der Traum stand so klar in ihrer Erinnerung da, wie kein anderer jemals zuvor. Gerade so, als habe das Erlebnis wirklich stattgefunden.
    Sie verstand das nicht. Vielleicht konnte ihr Professor Zamorra diesen Traum erklären. Ein blaues Einhorn, eine Teufelin… sollte es sich um Stygia handeln, die Fürstin der Finsternis? Patricia stand wieder auf, ging zum kleinen Tisch und griff nach Stift und Papier. Sie begann das Gesicht zu skizzieren, das sich ihr außerordentlich deutlich eingeprägt hatte. Sie wollte das Bild Zamorra zeigen, wenn er gegen Mittag wiedér auf den Beinen war; Zamorra und Nicole pflegen einen anderen Tag- und Nachtrhythmus als die meisten anderen Menschen. Als Dämonenjäger hatten sie sich dem Rhythmus ihrer Gegner angepaßt, die nachts aktiv waren und bei Tage eher ruhten.
    Patricia kontrollierte noch einmal, ob mit dem kleinen Rhett alles in Ordnung war, dann ließ sie sich wieder auf ihr Bett zurücksinken und zog die Decke bis zum Kinn. Sie fühlte sich stark beunruhigt durch die Intensität des eigenartigen Traumes. So etwas war ihr fremd.
    Es dauerte eine Weile, bis sie wieder einschlaf en konnte; nur für ein paar Stunden, bis Rhett lautstark erwachte und seinen Hunger verkündete.
    ***
    Pascal Lafitte sah das Einhorn. Es tauchte zwischen den schroffen Felsen auf, blieb stehen und schnaubte. Als es den Kopf hob und ihn in seine Richtung drehte, glaubte er, es müsse ihn sehen können. Das lange, gerade Horn auf seiner Stirn leuchtete in der Dämmerung.
    »Es ist wunderbar«, murmelte Pascal Lafitte. Er genoß den Anblick des herrlichen Pferdekörpers mit dem blauen schimmernden Fell, und er fühlte einen starken Beschützerinstinkt in sich.
    »Es kommt immer um diese Zeit hierher«, sagte die gehörnte Frau mit dem dunklen Haar.
    »Warum?« fragte Pascal.
    »Um zu sterben.« Und die Teufelin schleuderte einen funkelsprühenden Feuerball aus der Hand, der durch die Luft raste, das blaue Einhorn traf und dieses wundervolle Geschöpf von einem Augenblick zum anderen auslöschte.
    ***
    Pascal Lafitte schreckte hoch und tastete nach dem Lichtschalter. Neben ihm richtete seine Frau Nadine sich auf. Verwundert sahen sie sich an.
    »Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe…«
    Beide sagten sie es gleichzeitig. Beide sahen sich irritiert an, und dann sagte Pascal leise: »Ich hatte einen seltsamen Traum.«
    »Du auch?«
    »Von einem blauen Einhorn in einer Felsenlandschaft, und von einer Teufelin, die es mit einem Feuerball vernichtete.«
    »Dasselbe wie bei mir«, erklärte Nadine Pascal. »Du, da stimmt was nicht. Zwei Menschen können niemals den gleichen Traum haben! Jemand…« Sie verstummte.
    Pascal nickte langsam. »Jemand manipuliert unsere Träume«, sagte er. »Das… ist unheimlich. Ich rufe Zamorra an.«
    »Jetzt, um diese Zeit? Es ist fünf Uhr früh!«
    »Wenn er nicht mehr wach ist, läuft der Anrufbeantworter. Zamorra ist immerhin der Experte für solche Sachen. War die Teufelin bei dir auch dunkelhaarig?«
    Nadine nickte.
    »Könnte Stygia sein, so wie Zamorra sie beschrieben hat, nicht wahr? Ich rufe ihn jetzt an.« Er erhob sich und ging ins Wohnzimmer hinüber, um von dort aus zu telefonieren. Vorher sah er noch nach den Kindern. Das ältere bewegte sich unruhig, schien kurz wach gewesen zu sein, schlief jetzt aber wohl wieder.
    Sollte es diesen Traum ebenfalls erlebt haben?
    Als Pascal sicher war, daß es den beiden gutging, setzte er seinen Weg fort und griff nach dem Telefon.
    ***
    Zamorra schwang mit seinem bequemen Drehsessel herum, als Nicole nach kurzem Anklopfen das große Arbeitszimmer betrat. Die Sessellehne, bemerkte Nicole, war zurückgestellt. Einer der drei Monitore der EVS-Anlage war eingeschaltet. Neben der Tastatur stand ein großes, fast leeres Wasserglas.
    »Welch seltener Besuch in früher Morgenstunde«, schmunzelte Zamorra. »Hat die Sehnsucht nach mir dich nicht schlafen lassen?«
    Sie schüttelte den Kopf und
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