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0520 - Das blaue Einhorn

0520 - Das blaue Einhorn

Titel: 0520 - Das blaue Einhorn
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Nicole hinterher und rief dabei mit einem scharfen Gedankenbefehl sein Amulett, das, solange es nicht gebraucht wurde, im Tresor seines Arbeitszimmers lag, nebst diversen anderen magischen Waffen und Werkzeugen. Die Tresortür stellte für die handtellergroße Silberscheibe kein Hindernis dar; der 7. Stern von Myrrian-ey-Llyrana, das letzte der von Merlin geschaffenen Amulette, materialisierte nur eine Sekunde später in Zamorras ausgestreckter Hand.
    Im nächsten Moment schalt Zamorra sich einen Narren; das Amulett brauchte er nicht. Wer oder was auch immer ins Château eingedrungen war, hatte erst den weißmagischen Energieschirm durchdringen müssen und damit unter Beweis gestellt, in keiner Weise schwarzmagisch zu sein. Weder dämonisch noch dämonisiert!
    Nicole war bereits unten und stand reglos am Fuß der Treppe. Zamorra stoppte auf halber Höhe und glaubte seinen Augen nicht zu trauen.
    Das Poltern war Hufschlag auf poliertem Parkett, nur manchmal etwas gedämpfter, wenn das unruhig tänzelnde, blaue Einhorn auf einen der Teppiche trat.
    »Ich träume doch nicht…?«
    Ein Dutzend Stufen unter ihm schüttelte Nicole den Kopf. »Kein Traum… bestimmt nicht! Aber…«
    »Was?« hakte Zamorra nach. Durch die Eingangstür kam Nachtkälte herein, immerhin war es erst fünf Uhr früh. Er hörte den Regen auf das Steinpflaster schlagen. Dennoch war das Einhornfell nicht naß. Es glänzte zwar, aber es war ein trockener Glanz.
    Trotzdem war es nicht im Château materialisiert, sondern durch die Tür gekommen, und zwar mit Gewalt. Das Glas war zersplittert; die Scherben waren meterweit in den Raum geflogen. In den Angeln hingen nur noch gezackte Fragmente.
    »Monsieur…?«
    Zamorra zuckte erschrocken zusammen, als die Stimme hinter ihm aufklang, dabei hätte er es wissen müssen. Er kannte doch die lautlose Allgegenwart seines Dieners, der auch diesmal so korrekt angekleidet erschien, als habe er keine Sekunde lang geruht und nur darauf gewartet, daß sein Chef seiner Dienste bedürfe. Wie er das machte, zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit zu sein, war Zamorra ein Rätsel, aber er hatte sich auch nie in die Privatsphäre seines Dieners gemischt. Er konnte nicht einmal sagen, ob Raffael sein Bett je in seinem Leben einmal wirklich benutzt hatte oder vielleicht im Stehen schlief, abrufbereit hinter der Tür und mit wachen Ohren auf jedes Geräusch im Château lauschend…
    Zamorra winkte ab. »Warten Sie, Raffael«, sagte er, und da erst erkannte er, was der alte Diener ihm entgegenstreckte: die Strahlwaffe, die der Technik der Ewigen entstammte. »Abwarten«, wiederholte Zamorra, ohne nach der Waffe zu greifen.
    Er beobachtete das Einhorn.
    Es stand jetzt ruhig, drehte den Kopf und zeigte sich als herrliches wundervolles Geschöpf, prächtig gewachsen und von vollendeter Schönheit. Das lange Horn schien zu leuchten und zu funkeln.
    Nicole löste sich von der Treppe und ging langsam, vorsichtig auf das Einhorn zu.
    Raffael sog scharf die Luft ein. »Monsieur«, drängte er.
    Zamorra beobachtete nur. Das Amulett warnte nicht. Wie sollte es auch? Das Einhorn war nicht schwarzmagisch.
    Das Einhorn rührte sich nicht. Nicole war jetzt bis auf ein paar Schritte heran, zögerte ein wenig. »Nur eine Jungfrau kann die ungestüme Wildheit eines Einhorns bändigen«, raunte Raffael schräg hinter Zamorra und hob mit beiden Händen die auf Lähmung geschaltete Strahlwaffe, richtete sie auf das blaue Fabelwesen. »Jeden anderen greift es an und spießt ihn mit seinem Horn auf!«
    Aber Zamorra glaubte nicht an eine Gefahr für Nicole, auch wenn sie alles andere als jungfräulich war. Jetzt hatte sie mit einem weiteren Schritt das Einhorn erreicht und berührte es.
    Es war ein eigenartiger, fantastischer Anblick: das prachtovlle Pferd mit dem langen Steinhorn, und die schöne nackte Frau, die das Einhorn jetzt streichelte und leise auf es einredete.
    »Nicht«, flüsterte Raffael. »Gehen Sie doch beiseite! Sie sind im Schußfeld.« Aber Nicole hörte seine Worte nicht. Ihre Hand glitt über die Nüstern und den langen Nasenrücken bis hoch zur Stirn, zum Horn. Die andere Hand strich über den Pferdehals, wühlte in der langen Mähne. Plötzlich legte Nicole beide Hände auf die Kruppe des Tieres, schnellte ihren Körper mit einem kraftvollen Ruck hoch und landete auf dem Pferderücken.
    Nur einen Lidschlag später waren Einhorn und Reiterin verschwunden.
    ***
    Raffael löste die Waffe aus; der flirrende, sich verästelnde
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