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0520 - Das blaue Einhorn

0520 - Das blaue Einhorn

Titel: 0520 - Das blaue Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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mit der Arbeit fertig, als er einen Blick nach draußen warf.
    Mitten auf dem gepflasterten Hof, im strömenden Regen, näherte sich zu Fuß eine splitternackte, junge Frau dem Gebäude. Nicole Duval!
    ***
    Warum sie sich auf den Einhornrücken geschwungen hatte, konnte sie beim besten Willen nicht sagen. Es war auch nicht so, daß sie sich von einer fremden Kraft dazu gezwungen gefühlt hätte. Es war ihr nur einfach… normal erschienen!
    Das Fell war nicht rauh wie das eines Pferdes, sondern eher katzenweich und fühlte sich wunderbar an, verstärkte noch den Eindruck der erlesenen Schönheit des Einhorns. Aber im gleichen Moment, in dem Nicole sich zurechtgesetzt hatte und in die weiche Mähne faßte, um sie zu streicheln und dem Tier den Hals zu klopfen, veränderte sich die Umgebung. Ein leichter Schwindelanfall erfaßte Nicole, war aber so schnell wieder vorbei, wie er gekommen war. Sie hatte den Eindruck, als sei sie durch eine nicht meßbar dünne Wand aus namenloser Schwärze geglitten. Danach befand sie sich in der dunklen Felsenlandschaft, die sie bereits aus ihrem Traum kannte.
    Das Einhorn tänzelte unruhig.
    Unwillkürlich sah Nicole sich nach Stygia um. Aber von der Teufelin war nichts zu sehen. Es herrschte auch keine kalte Mondnacht, sondern die Sonne stand fast im Zenith und sorgte für eine wohlige Wärme, die Nicole ihre Nacktheit vergessen ließ. Es war eine seltsame Sonne; sie war hell, und doch konnte Nicole sie mit bloßem Auge betrachten, ohne geblendet zu werden. Der Himmelskörper wechselte ständig seine Farbe, vom satten Gelb über ein grelles Rot bis hin zum Türkis. Manchmal vermengen sich alle Farbtöne zu einem schillernden Lichtfleck am Himmel.
    Das Einhorn drehte den Kopf und versuchte seine Reiterin anzusehen. Nicole schien es, als wolle das blaue Fabeltier ihr verschwörerisch zublinzeln. Dann setzte es sich in Bewegung und trottete von dem kleinen Plateau zwischen den Felsen durch eine schmale Spalte hinaus auf eine freie Ebene.
    Endlose Steppenlandschaft, so weit das Auge reichte! Der Horizont war kaum zu erkennen, Himmel und Erde verschwammen irgendwo in der Unendlichkeit, gingen nahtlos ineinander über. Es war wie der Blick von einem Schiff über die Weiten des Ozeans.
    Nicole wandte sich um. Sekundenlang hatte sie befürchtet, die Felsengruppe hinter ihr sei verschwunden und habe auch der endlosen Weite Platz gemacht, aber die dunklen, braunen Steinkolosse standen noch da. Als die Einhornreiterin allerdings wieder nach vorn schaute, hatte diese Landschaft sich verändert. Der Horizont war erheblich nähergerückt; das Blickfeld wurde jetzt von der blaugrauen Silhouette entfernter Berge begrenzt. Am Himmel bewegten sich Vögel, und die karge Steppe war zu einem blühenden Grasland voller farbenprächtiger Blumen geworden, um die Schmetterlinge gaukelte. Ein leises Singen lag in der Luft. Nicole lauschte verwundert, bis sie erkannte, daß es der Wind war, der durch die Gräser strich und, statt leise zu rauschen, diesen seltsamen Klang erzeugte.
    Das Einhorn senkte den Kopf, rupfte vorsichtig eine große, breitblättrige Blüte ab und hob sie an, drehte den Kopf und schien diese in kräftigen Blau-, Gelb- und Orangetönen leuchtende Blüte Nicole anzubieten. Sie beugte sich vor, streckte die Hand danach aus und nahm die Blüte entgegen. Die Blätter fühlten sich weich und fleischig an. Nicole steckte sich die Blätter ins Haar, und das Einhorn senkte den Kopf auf und ab, als sei es einverstanden, als habe es genau das gewollt.
    War es mehr als nur ein Tier? Besaß es Intelligenz, konnte es denken? Nicole setzte ihre Telepathie ein und versuchte zu erfassen, was im Kopf dieses Fabeltiers vorging. Aber - da war nichts. Keine abschirmende Barriere, die ein Gedankenlesen verhinderte, nicht einmal ein dumpfes Grundmuster fließender Ströme, wie bei niederen Tierarten. Da war einfach nichts, überhaupt nichts.
    Und diese sich verändernde Landschaft…
    Ein Traum? Träumte Nicole, seit sie sich auf den Einhornrücken geschwungen hatte, und steuerte Julian Peters jetzt diesen Traum nach Nicoles Vorstellungen?
    Sie glaubte nicht daran.
    Und dann verblaßte die Landschaft von einem Moment zum anderen. Es wurde dunkel. Es wurde kalt, und Nicole fühlte Regen auf ihrer Haut. Verwirrt sah sie sich um. Sie saß nicht mehr auf dem weichen Einhornrücken, sondern auf kaltem Straßenbelag!
    Blitzschnell sprang sie auf. Sie schlug mit den Armen um sich, begann zu tänzeln, um sich warm zu

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