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0515 - Der mordende Wald

0515 - Der mordende Wald

Titel: 0515 - Der mordende Wald
Autoren: Werner Kurt Giesa
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weiteres Opfer, um die Pläne der Römer zu lesen.
    Entgeistert starrte der Druide die Käfige an.
    Einer von ihnen war leer.
    Ein Gefangener war entkommen!
    ***
    Zamorra kapselte sich ab. Er bemühte sich, die Aura von Körper und Geist nicht mehr über die Grenzen seines Körpers hinausdringen zu lassen. Wer ihn jetzt noch wahrnehmen wollte, mußte gezielt an ihn denken, sich seine Gestalt genau vorstellen. Andernfalls würde er Zamorra zwar sehen, das aber nicht bewußt registrieren und noch im gleichen Sekundenbruchteil wieder vergessen. Zamorra hatte diese Mentalübung vor vielen Jahren von einem tibetischen Mönch gelernt. Es hatte natürlich nicht sofort funktioniert; er hatte Jahre gebraucht, bis es ihm endlich gelungen war. Aber mit der nötigen Ruhe und Konzentration konnte er sich seither unsichtbar machen. Es war natürlich keine echte Unsichtbarkeit. Eine Kamera würde ihn aufzeichnen, und er warf natürlich weiterhin einen Schatten - und wenn jemand den Trick kannte, entdeckte er Zamorra selbstverständlich. Aber alle anderen nahmen seine Anwesenheit einfach nicht mehr wahr. Der Mönch, der Zamorras Lehrer gewesen war, hatte sich ungesehen durch eine große Menschenmenge bewegen können. Selbst wenn er irgendwie anstieß, bemerkte man ihn nicht, wunderte sich nur und schob es auf den Nächststehenden im Gedränge.
    Für die Kelten war Zamorra jetzt jedenfalls nicht mehr zu sehen. Er seinerseits konnte sie weiterhin beobachten.
    Er sah einen alten Mann aus einem Zelt treten, der ihn ein wenig an Merlin erinnerte. Er war weißhaarig, weißbärtig und trug eine weiße Kutte -zumindest das in jener Zeit übliche Naturweiß, eher Eierschalentönung. Moderne und nicht unbedingt umweltfreundliche Bleichmittel waren damals erfreulicherweise noch unbekannt gewesen…
    Ein Druide!
    Zamorra hatte damit gerechnet, einer solchen Person zu begegnen, seit er wußte, in welchem Umfeld er sich in etwa befand. Die alten keltischen Druiden waren natürlich nicht mit Wesen wie Merlin oder den Silbermond-Druiden Gryf und Teri zu vergleichen. Sie hatten nur die Bezeichnung gemeinsam, ansonsten trennten sie buchstäblich Welten. Die keltischen Druiden waren weniger Zauberer als Gelehrte, Heiler, Priester, und man schrieb ihnen blutrünstige Ritualmorde zu, die denen der Inka-Opferpriester nur in der Quantität nachstanden, nicht in der Qualität ihrer Brutalität. Die Menschen der Gegenwart waren von den Schilderungen entsetzt. In der Vergangenheit war es als völlig normal empfunden worden.
    Natürlich mußte man sich auch hier vorwiegend auf Caesars Schriften verlassen, der an den Druiden kein gutes Haar gelassen hatte. Denn von den Druiden selbst gab es keine Überlieferungen. Sie hatten ihr Wissen und ihre Riten nur mündlich weitergegeben, keine Schrift entwickelt, und was Caesar nicht geschafft hatte, hatte später das sich ausbreitende Christentum fertiggebracht - und so waren die alten Druiden ausgestorben, mit ihnen die Überlieferungen, das Wissen, alles. Um so interessanter war es für Zamorra, jetzt einen dieser legendären Männer mit eigenen Augen zu sehen.
    Der Druide sah zu den Käfigen, stutzte - und hob den Arm.
    »Kendan«, sagte er.
    Er hatte nicht laut gesprochen. Aber selbst über eine Distanz von gut hundert Metern vernahm Zamorra das Wort deutlich.
    Andere mußten es auch gehört haben. Vor allem der Wächter, der Zamorra angespuckt hatte, nachdem dieser ihn lateinisch angesprochen hatte.
    Der Mann hieß also Kendan.
    Er kam eilig heran und stutzte ebenso wie der Druide.
    Er wollte vermutlich Alarm auslösen. Aber der Druide gebot ihm mit einer herrischen Geste Schweigen. Mit einer weiteren Geste forderte er Kendan auf, ihn zu begleiten. Zu zwei kamen sie auf den Käfig zu.
    ***
    »Kein Aufsehen«, sagte Caxatos. »Ich will erst wissen, was passiert ist.«
    Kendan schüttelte den Kopf. »Ein Gefangener ist entflohen. Wir müssen…«
    Der Druide winkte ab. »Während deiner Wache ist dir nichts aufgefallen?«
    »Nein.«
    »Jetzt fällt dir auch nichts auf?«
    »Nein.«
    Mittlerweile waren sie unmittelbar vor dem vierrädrigen Käfigwagen angekommen. Die beiden anderen Gefangenen sahen die beiden Kelten abschätzig bis zornig an, und unter dem Blick der Frau fühlte sich nicht nur Kendan unbehaglich. Der dritte Käfig war leer.
    »Die Stäbe sind unversehrt. Der Riegel ist geschlossen. Es liegen keine Stricke am Boden«, sagte der Druide gelassen. »Ich kenne keinen Gefangenen, der seine Fesseln mit auf
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