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051 - Die gelbe Schlange

051 - Die gelbe Schlange

Titel: 051 - Die gelbe Schlange
Autoren: Edgar Wallace
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das -« Er zögerte, als ob er das richtige Wort suchte. Joan hätte schwören können, daß er »Opfer« sagen wollte, aber er vollendete: »feierliche Ereignis«.
    »Der alte Joe Bray ist tot«, sagte der Fremde. »Wahrscheinlich wissen Sie es schon. Armer alter Träumer! Für eine Menge Leute wäre es besser gewesen, wenn er schon vor sechs Wochen gestorben wäre. Eine gute alte Seele, ein großer alter Sportsmann, aber ein bißchen verrückt.« Lynne hatte wieder nur zu Joan gesprochen. Sie konnte ihn nun genauer betrachten. Er war etwa einsachtzig groß, und nicht einmal seine unbeschreibliche Kleidung konnte seinen tadellosen Wuchs verbergen. Das Gesicht war wettergebräunt, und braun waren auch sein Haar und sein wilder Bart sowie seine ziemlich struppigen Augenbrauen. Alles an diesem Mann strömte eine ungeheure Lebenskraft aus. Das war ihr erster Eindruck - diese überwältigende Vitalität. Verstohlen schaute sie auf seine unförmigen Schuhe; der eine war mit einem Riemen verschnürt, der andere mit Bindfaden zugebunden.
    Mr. Narth hielt jetzt den Augenblick für gekommen, seine Autorität zu wahren. Die Umstände hatten ihn zur wichtigsten Person im Raum gemacht. Er war nicht nur der Herr des Hauses, sondern er war nach dem Testament auch der Hauptbegünstigte. Und dieser Mann hier war nur der Geschäftsführer des alten Joe Bray - lediglich ein Befehlsempfänger. In Zukunft würde er ihm, Stephen Narth, zu gehorchen haben, denn wenn er Joes Vermögen erbte, so ging doch damit auch zweifellos die Autorität auf ihn über, die damit verbunden war.
    »Hm - Mr. Lynne, ich finde Ihre Äußerungen über den hm - Geisteszustand meines armen Vetters sehr ungehörig, und ich kann diese Verleumdungen nicht dulden.«
    Der Fremde warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. »Oh, Sie sind Narth, nicht wahr? Ich habe schon von Ihnen gehört. Sie sind doch der Gentleman, der mit anderer Leute Geld spekuliert!«
    Stephen Narth wurde blaß und rot, es verschlug ihm die Sprache. Die Brutalität dieser Feststellung lahmte ihn für den Augenblick. Und wäre Mr. Narth weise gewesen, hätte er jede weitere Erörterung abgebrochen, entweder dadurch, daß er den Raum verließ oder indem er Lynne eine kräftige Rüge erteilte.
    Lynne fügte noch kühl hinzu: »Darüber wird allgemein gesprochen, so etwas kommt ja immer ans Tageslicht.«
    Jetzt hatte Stephen Narth seine Stimme wiedergefunden:
    »Ich denke nicht daran, diese böswilligen Gerüchte mit Ihnen zu diskutieren«, sagte er wütend und warf ihm einen haßerfüllten Blick zu. »Jetzt haben wir andere Dinge zu erörtern, denn ich als der Haupterbe - und Eigentümer -«
    »Der vermutliche Eigentümer«, murmelte Lynne, als Narth stockte. »Wahrscheinlich möchten Sie. daß ich auf meinem Posten bleibe? Ich bin nicht abgeneigt.« Dann starrte er Joan an:
    »Also, wollen Sie mich nehmen?«
    Sein Gesichtsausdruck war völlig ausdruckslos, beinahe einfältig.
    Joan verspürte eine heftige Neigung zu lachen.
    »Denn wenn Sie mich haben wollen«, fuhr er fort, »so stehe ich zur Verfügung. Der Himmel weiß, daß ich keine Lust habe, mich einem Mädchen aufzudrängen, aber Joe hat zu mir gesagt, ›Willst du mir dein Wort geben?‹ , und ich habe ›Ja‹ gesagt.«
    Er starrte Joan noch immer gedankenversunken an. Erwartete er etwa eine Antwort von ihr? Offenbar nicht, denn er fuhr fort:
    »Die letzten Vorfälle machen die Sache allerdings kompliziert. Ich hätte nicht gedacht, daß die ›Freudigen Hände‹ uns belästigen würden - aber ich habe nun einmal mein Wort gegeben und werde es auch halten.«
    Mr. Narth hielt den Augenblick für geeignet, wieder an der Unterhaltung teilzunehmen, ohne seiner Würde zu schaden.
    »Die ›Freudigen Hände‹? So sagten Sie doch? Was in aller Welt sind denn die ›Freudigen Hände‹?«
    Der Fremde schien nicht nachtragend zu sein, und Stephen Narth hatte das Gefühl, daß die Bemerkung, die jener vor wenigen Sekunden gemacht hatte, nur eine Feststellung von Tatsachen, ohne beleidigende Nebenabsicht, sein sollte.
    »Ich habe das kleine Haus hier in der Nähe - Slaters Cottage heißt es wohl - gekauft«, sagte Clifford in seiner sprunghaften Art. »Ein unheimliches Loch, aber für meine Zwecke geeignet. Oh, ich fürchte, ich habe Ihren Teppich verdorben!« Er blickte betreten auf die Spuren der Tragödie.
    »Nun, immerhin haben Schlangen kein Recht, auf Teppichen herumzukriechen«, meinte er dann erleichtert, so als ob er froh wäre, eine
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