051 - Die gelbe Schlange
Entschuldigung gefunden zu haben.
Mr. Narth machte ein langes Gesicht.
»Sie wollen sich hier niederlassen?« fragte er, und es lag ihm schon auf der Zunge, dem Fremden zu empfehlen, bei weiteren Besuchen den Hintereingang zu benutzen. Aber Narth hütete sich doch davor, eine so unhöfliche Bemerkung zu machen, denn gewiß durfte man einen Mann nicht ungestraft beleidigen, der einem Anschlag auf sein Leben so gelassen begegnete, und der todbringende Waffen so schnell gebrauchen und wieder verschwinden lassen konnte, daß kein menschliches Auge die Bewegung seiner Hand wahrnahm. Deshalb sagte er:
»Slaters Cottage ist wirklich nicht gerade hübsch. Es ist tatsächlich nicht viel mehr als eine Ruine. Das Anwesen wurde mir kürzlich für hundertzwanzig Pfund angeboten, aber ich habe natürlich abgelehnt -«
»Da haben Sie sich ein gutes Geschäft entgehen lassen«, meinte Clifford Lynne ruhig. »Im Haus steht ein Kamin aus der Tudorzeit, der mindestens das Doppelte wert ist.«
Während er sprach, blickte er fast geistesabwesend auf Joan.
»Ich hätte nicht übel Lust, mich dauernd in Slaters Cottage niederzulassen«, fügte er heiter hinzu. »Da gibt es eine hübsche Spülküche, die sehr praktisch für die Hausfrau ist, außerdem zwei ganz brauchbare Zimmer - natürlich müssen erst einmal die Rattenlöcher verstopft werden. Ich selbst habe allerdings nichts gegen Ratten.«
»Und ich habe sie direkt gern«, bemerkte Joan kühl, denn sie hatte sofort die Herausforderung bemerkt und gab sie schnell zurück.
Für eine Sekunde schien der Schimmer eines Lächelns in seinen Augen aufzublitzen.
»Nun, ich werde also hier bleiben. Aber Sie brauchen um Ihr Ansehen nichts zu fürchten, denn ich werde nicht oft hier vorsprechen.« Er spitzte seine Lippen und stieß einen leisen Pfiff aus. »Dieser Chinese! Der Kerl sah mich hereinkommen und lieferte gleich seine Sendung ab. Vorher konnte er es ja auch gar nicht tun, sonst hätten sie die Bewegung des Tieres im Kasten gehört. Oder die Schlange wäre verendet, denn der Deckel hatte keine Luftlöcher.«
Mr. Narth räusperte sich.
»Wollen Sie damit sagen, daß dieses Reptil in böser Absicht gegen Sie losgelassen wurde?«
Clifford Lynne betrachtete ihn belustigt.
»Eine lebendige Giftschlange ist meiner Meinung nach nicht gerade ein Geburtstagsgeschenk«, erklärte er höflich. »Und ich hasse Gelbköpfe - sie wirken tödlich!« Er schlug sich plötzlich heftig auf den Oberschenkel und lachte laut auf: »Natürlich! Der Gelbkopf als Antwort auf ›Gelbe Schlange‹! Ganz klar, daß er das nicht vergessen hat!«
Wieder suchten seine Blicke das junge Mädchen.
»Jetzt habe ich doch Ihren Namen wieder vergessen... Joan, nicht wahr? Ich habe mir immer eingebildet, daß alle Joans verheiratet seien, aber das trifft wahrscheinlich eher für die Dorothys zu! Sie sind einundzwanzig Jahre alt, nicht wahr? Nun, alle Joans sind um die einundzwanzig, alle Patricias um die siebzehn, und die meisten Mary Anns leben von ihrer Pension.«
»Und alle Cliffords spielen Theater«, gab sie schlagfertig zurück. Diesmal lachte Clifford wirklich. Es war ein leises, angenehmes und kultiviertes Lachen, das so gar nicht im Einklang mit seinem verbotenen Äußeren stand. Es hatte den Anschein, daß sich unter dem abstoßenden rauhen Gewand ein ganz anderer Mensch versteckte.
»Was sagen Sie da?« Er drohte scherzend mit dem Finger. »Aber ich habe es verdient.«
Plötzlich langte er tief in die Tasche seines unbeschreiblichen Rockes, angelte eine große Messinguhr heraus und sah nach der Zeit.
»Sie geht nicht!« stellte er entrüstet fest. Energisch schüttelte er das Museumsstück und hielt es dann ans Ohr. »Wie spät ist es jetzt?«
»Sechs Uhr«, antwortete Mr. Narth.
»Aha, ich habe mir doch gleich gedacht, daß es nicht halb eins sein könne!« Er drehte an den Zeigern. »Jetzt will ich mir erst eine Wohnung in London mieten. Aber morgen oder übermorgen werde ich wieder herkommen. Auf Wiedersehen, Dorothy!«
»Sie meinen Agnes!« Joan ging vergnügt auf seinen Scherz ein und reichte ihm die Hand, die Clifford kräftig schüttelte. Er würdigte keines der anderen Familienmitglieder eines solchen Grußes, sondern verabschiedete sich mit einem Nicken, das für alle galt. Dann ging er rasch aus der Tür in die Halle. Mr. Narth, der glaubte, daß er schon fort sei, wollte gerade seinen Gefühlen Luft machen, als der bärtige Mann wieder in der Tür erschien.
»Kennt einer von Ihnen
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