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05 - Spiel der Intrigen

05 - Spiel der Intrigen

Titel: 05 - Spiel der Intrigen
Autoren: Marion Chesney
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Ausrede nachdachte. Dann kam
sie darauf, dass die Wahrheit vielleicht die beste Erklärung war.
    »Sehen Sie, Miss«, sagte sie,
»unsere Löhne sind Hungerlöhne, und wir sind auf einen Mieter angewiesen, der
die Löhne erhöht. Und wie wir gesehen haben, wie Sie mit der Miete geknausert
haben, da haben wir uns gedacht, Sie werden mit den Haushaltsausgaben noch
knauseriger sein. Und es war noch Zeit, einen anderen Mieter zu finden.«
    »Willst du damit sagen«, fragte
Emily zornig, »dass ihr versucht habt, mich zu vertreiben?«
    »Wenn man das so sagt, klingt es ein
bisschen hart«, sagte Alice, »aber die Zeiten sind schwer. Es tut uns
inzwischen auch furchtbar leid.«
    Emily versuchte zwar, entrüstet zu
tun, aber ihr Ärger machte schnell einer großen Erleichterung Platz. Sie hatten
sie nicht für gewöhnlich gehalten oder sie wegen ihrer niedrigen Herkunft
verachtet. Sie ahnten nichts! Sie hatten sie nur für geizig gehalten.
    »Oh«, machte Emily. »Nun gut,
benehmt euch in Zukunft anständig. Vielleicht verstehe ich jetzt, warum es der
Butler, der sonst so geschickt und beweglich wirkt, schaffte, über den Tisch zu
fallen. Was war denn in den Kuchenstücken?«
    Aber Alice hatte jetzt das Gefühl, dass
sie schon genug ausgeplaudert hatte. »Mr. MacGregor, der Koch, ist ein Genie«,
sagte sie. »Es ist wirklich schade um die Kuchen.«
    »Es ist schade, dass Lord Fleetwood
eine Abneigung gegen dieses Haus gefasst hat«, sagte Emily, obwohl sie sehr
wohl wusste, dass sie selbst es war, die ihn unfreundlich gestimmt hatte. »Ist
er eine wichtige Persönlichkeit?«
    »Ja, Miss. Mr. Rainbird sagt, dass
er tonangebend in der Gesellschaft ist. Das ist erst seine zweite Saison in
London seit dem Tod seiner Frau, obwohl sie schon vor acht Jahren gestorben
ist.«
    »Und wie ist sie gestorben?« Emily
spürte, dass sie sich wie eine ganz gewöhnliche Klatschbase mit der Dienerin
unterhielt, doch ihre Neugierde, was den schönen Earl betraf, wurde von Minute
zu Minute größer.
    »Sie wurde in einem Wald in der Nähe
seines Landhauses totgeschlagen, Miss.«
    »Um Himmels willen! Und wer war es

    »Das hat man nie herausgefunden,
Miss«, sagte Alice, die genausowenig wie Jenny etwas auf Lukes Gerede gab und
kein Wort von der Geschichte des Lakaien von nebenan, dass Lord Fleetwood den
Mord selbst begangen habe, glaubte.
    Emily hatte das Gefühl, dass sie
Alice jetzt wegschicken sollte, aber sie hatte so lange nicht mehr mit einem
anderen
    weiblichen Wesen gesprochen. »Du
bist sehr hübsch, Alice«, sagte sie. »Hat es da keine Probleme mit den früheren
Mietern dieses Hauses gegeben?« Emily fielen plötzlich einige ihrer eigenen
Erlebnisse als Stubenmädchen ein, als Sir Harry Jackson noch gesund genug war,
um Gäste zu empfangen.
    »Nein, Miss. Mr. Rainbird würde so
etwas niemals zulassen. Ein Gentleman«, sagte Alice und erinnerte sich an den
gutaussehenden Mieter vom vergangenen Jahr, »war am Anfang ein bisschen
anzüglich, aber nachdem Mr. Rainbird mit ihm gesprochen hatte, hat er mich in
Frieden gelassen.«
    »Danke, Alice«, sagte Emily, die
merkte, dass sie sich jetzt lange genug dem Klatsch hingegeben hatte. »Du
kannst gehen.«
    Alice ging leise hinaus und schloss
die Tür hinter sich.
    Emily kuschelte sich unter die
Decken. Die Diener hatten sie also doch nicht durchschaut! Es würde sie
überhaupt niemand
    durchschauen, beruhigte sie sich.
Sir Harrys Landsitz befand sich in Cumberland, im hohen Norden Englands. Die
Gäste, die er eingeladen hatte, waren gewöhnlich aus der Grafschaft, und nur
ein oder zwei Reisende waren auf ihrem Weg nach London über Nacht geblieben.
    Ein Schatten flog über Emilys
Gesicht. Einer dieser Reisenden war zudringlich geworden, ein furchtbarer Mann
— Mr. Percival Pardon. Auf ihre Schreie hin war Mr. Goodenough, der damals noch
der Butler Spinks war, ihr zu Hilfe geeilt. Aufgrund der Auseinandersetzung,
die sich daraus entwickelte, erlitt der arme Butler einen Schlaganfall, von
dem er sich zwar wieder erholte, der aber sein Gesicht so merkwürdig
entstellte. Kurz nach diesem unglückseligen Besuch war Sir Harry erkrankt und
hatte keine Besucher mehr empfangen.
    Bestimmt würde in London keiner das
Stubenmädchen Emily Jenkins in der reichen und eleganten Emily Goodenough
wiedererkennen oder den Butler Spinks in dem Mann mit dem veränderten Gesicht
des Benjamin Goodenough, Esquire.
    Sie hatten ihr Vorhaben sorgfältig
geplant. Sie waren nicht etwa sofort nach London geeilt,
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