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05 - Spiel der Intrigen

05 - Spiel der Intrigen

Titel: 05 - Spiel der Intrigen
Autoren: Marion Chesney
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getan
habe, denn sie hat sich ja als nette Dame erwiesen. Ich hoffe, dass Lord
Fleetwood niemals darauf kommt, dass ich seine Pferde erschreckt habe.«
    Es war Emilys erste Nacht in London. Sie hatte bis jetzt
immer nur auf dem Land geschlafen. Jedes Mal, wenn sie gerade dabei war
einzuschlafen, ging der Nachtwächter unten am Haus entlang und rief, dass es
eine schöne Vollmondnacht sei und auch sonst alles in Ordnung. Jede halbe
Stunde verkündete er seinen Wetterbericht. Dazu kam das Rumpeln und Dröhnen der
Kutschen, die den Piccadilly am Ende der Clarges Street entlangfuhren. Kaum
hörte dieser Lärm auf, fingen irgendwelche Karren auf dem Kopfsteinpflaster an
zu rattern. Dann kam der Müllmann mit seiner Glocke und schrie aus voller Kehle
»Der Müllmann ist da!«, danach war der Nachtwächter wieder an der Reihe. Ihm
folgte der Biermann, in dessen Kasten die Zinnkrüge klirrend
aneinanderstießen. Nach ihm kam der Milchmann, und danach vereinten sich immer
mehr Ausrufer zu einem ohrenbetäubenden Missklang, in dem jedoch regelmäßig zu
jeder halben Stunde die monotonen, durchdringenden Verkündigungen des
Nachtwächters die Oberhand gewannen.
    Emily kletterte aus ihrem hohen Bett
und legte sich einen leichten Morgenmantel um die Schultern. Sie nahm eine
Münze aus ihrer Handtasche und ging die Treppe hinunter. Sie wollte den
Nachtwächter dafür bezahlen, dass er wegging. Wenn wenigstens er zum Schweigen
gebracht war, würde sie vielleicht noch ein bisschen schlafen können.
    Der Earl of Fleetwood war auf dem
Nachhauseweg von seinem Club in St. James zum Hotel Limmer. Er stellte fest, dass
er sich in der Clarges Street befand, und überlegte gerade, wie wohl die
seltsame Miss Goodenough mit ihren noch seltsameren Dienern zurechtkam. Da sah
er sie.
    In diesem Moment lag der Eingang zur
Clarges Street 67 in der Morgensonne. Zwischen den beiden angeketteten Eisenhunden,
die die Eingangsstufen verzierten, stand Miss Goodenough. Sie sagte etwas zum
Nachtwächter und gab ihm eine Krone. Der Nachtwächter tippte an den Hut und
ging weg.
    Emily blieb noch einen Augenblick
lang auf den Stufen stehen und hob ihr Gesicht der Sonne entgegen.
    Das Sonnenlicht brachte die goldenen
Strähnen in ihrem üppigen Haar, das ihr den Rücken hinunterfiel, zum Leuchten.
In dem weißen Musselin-Morgenmantel mit dem weißen Nachthemd darunter sah sie
aus wie eine Märchenprinzessin.
    Sie hatte etwas Reines an sich und
eine verwundbare Unschuld. Sie war so frisch wie der Frühlingsmorgen.
    Eigenartig berührt stand der Earl da
und beobachtete sie, bis sie sich umdrehte und ins Haus zurückging.

Drittes Kapitel

    Emily war gerade dabei, endlich in
tiefen Schlaf zu sinken, als ihr die Ratte wieder einfiel. Und dann erinnerte
sie sich an den Auftritt, den Lord Fleetwoods verschreckte Pferde verursacht
hatten. In der Hitze des Gefechts war sie davon überzeugt gewesen, dass an
allem die Diener schuld waren. Aber Rainbird hatte sich so ehrlich
entschuldigt. Und doch ... und doch... letzten Endes hatte er keine Erklärung
abgegeben.
    Sie drehte und wälzte sich schlaflos
herum und war entschlossen, sich die Sache aus dem Kopf zu schlagen, aber
jetzt klang jedes Knistern und Rascheln wie die heimlichen Bewegungen von
Ratten. Sie klingelte.
    Alice kam herein, wie üblich schön
und ausgeruht.
    »Ich bringe Ihnen sofort Ihre
Morgenschokolade, Miss«, sagte sie und durchquerte das Zimmer, um die Vorhänge
zu öffnen.
    »Nein«, sagte Emily. »Ich möchte
noch schlafen, aber ich fürchte mich wegen der Ratte von gestern. Ist das Haus
denn voller Ratten?«
    Alice hatte ebensowenig wie Rainbird
ein schlechtes Gewissen, wenn sie eine Notlüge erfinden musste. »0 nein«,
sagte sie in ihrem langsamen, ländlichen Tonfall. »Lord Charteris von nebenan
hatte den Rattenfänger da, und dem ist eine Ratte ausgekommen. Wir haben da
keine Probleme, weil wir den Schnorrer haben, den Küchenkater. Er ist ein
großer Jäger.«
    »Aber warum waren die Pferde von
Lord Fleetwood so verschreckt?«
    »Ich weiß es nicht, Miss. Ich denke,
in London gibt es eine Menge komische Leute. Mr. Rainbird hat gesagt, dass ein
fürchterlich aussehender Mann sie angeschrien und erschreckt habe. Kann ich
sonst etwas für Sie tun?«
    »Ja. Rainbird hat sich für sein
unverschämtes Benehmen zwar entschuldigt, aber er hat nicht erklärt, warum er
so unverschämt war. Kannst du es mir sagen?«
    Alice schaute Emily mit großen
blauen Augen an, während sie verzweifelt über eine
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