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05 - Der Conquistador

05 - Der Conquistador

Titel: 05 - Der Conquistador
Autoren: Manfred Weinland
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Came pflichtete ihm zu seinem Erstaunen bei. »Wir können es nicht richtig machen«, sagte sie. »Ich ertrage den Gedanken, ihn zu verlieren, nicht. Aber ich weiß, dass er es nicht ertragen würde, wenn wir alle seinetwegen in die Gewalt der fremden Krieger gerieten. Tu, was du für richtig hältst, ich weiß, dass du gut entscheiden wirst.«
    »Dann«, sagte Ts’onot, ohne ihr in die Augen zu blicken, »wähle ich das Größere, dem wir uns alle von Geburt an verpflichtet haben. Ich wähle die Gemeinschaft, die von höherem Wert ist als jeder Einzelne.«
    Came senkte den Kopf, ergriff aber die Hand ihres Sohnes und drückte sie zum Zeichen ihrer Einwilligung.
    Doch bevor Ts’onot seine Absicht in die Tat umsetzen und die Räume stürmen lassen konnte, in denen die Eindringlinge sich verschanzten, schlug der »Weiße« erneut zu – wieder mit einer List.
    Wie ein Geist erschien er hier und dort im Palast und zog die Aufmerksamkeit der Wachen auf sich, die ihm folgten und ihn zu verletzen suchten, was natürlich nicht gelang.
    In der Zwischenzeit konnten vier seiner Männer, unbemerkt bis zu Ts’onot Räumen vorzustoßen; nicht ganz unbemerkt, denn sie ließen auf ihrem Weg drei Tote zurück, zwei Bedienstete und einen Krieger.
    Als sich der »Weiße« schließlich durch feste Wände von den Verfolgern absetzte, fielen seine vier Knechte am anderen Ende des Palastes über Ts’onot und Came her. Mit diesen Geiseln gelang ihnen auch der Rückzug in die besetzten Herrscherräume problemlos. Dort sahen sie Ah Ahaual wieder, der mit unbändigem Willen den Qualen der Folter getrotzt hatte. Aber die Spuren, die sie hinterlassen hatte, waren unübersehbar. Came schrie auf, als sie seinen Zustand gewahrte.
    »Nun zu dir, Sohn des Kaziken«, sagte die Lichtgestalt. »Oder zu euch dreien, die ihr glaubt, euch gegen mich behaupten zu können. Ich sage: Ihr irrt! Und ich werde es euch hier und jetzt beweisen. Der Erste, der sich mir unterwirft, darf auf Schonung hoffen. Die anderen erwartet ein unwürdiges Ende!«
    Mit diesen Worten begann Ts’onots Folter, während der er am eigenen Körper erlebte, was für eine Leistung zuvor sein Vater vollbracht hatte, als er den Zangen, Peitschen und glühenden Eisen widerstand.
    Ts’onot vermochte es ebenso, beseelt von dem Gedanken, dass es das Ende allen Lebens bedeuten würde, wenn der »Weiße« sein Ziel erreichte.
    Bis zu dem Moment, der ihm seine Grenzen aufzeigte. Als nämlich der »Weiße« seinen Schergen befahl: »Versuchen wir es anders. Schneidet der Frau die Gliedmaßen ab! Eine nach der anderen!«
    ***
    »Vater, vergib mir!« Ts’onot hörte selbst kaum die Worte, die seinen Mund verließen. Alles in ihm fühlte sich taub und tot an. Stumm flehte er zu den Göttern, dass sie ihm seine Schuld vergeben sollten. Aber er wusste, dass es kein Verzeihen für sein Versagen gab. Er wusste, dass seine persönliche Unterwerfung auch den Untergang allen Lebens besiegelte.
    Dafür konnte er keine Vergebung erwarten. Von niemandem.
    Ah Ahaual und Came wurden mitgeschleppt, als Ts’onot die Peiniger – allen voran den unbarmherzigen Geist, dessen reines Weiß seinem wahren Wesen Hohn sprach – nach und nach zu allen fünf Verstecken führte, an denen er Jahre zuvor die Teile der »Maschine« deponiert hatte. Nur seinem Vater hatte er sie mitgeteilt, niemandem sonst. So hatten sie sich sicher gefühlt.
    Wie hatte Ts’onot ahnen können, dass seine Mutter vor seinen Augen verstümmelt werden sollte? Er hatte sich stets geschworen, sich selbst umzubringen, bevor er dem falschen Gott die Orte nennen würde – doch dieser Möglichkeit hatte man ihn beraubt, und so sehr sein Geist auch nach Erlösung flehte, gewährten ihm die Götter nicht den Tod.
    Inzwischen waren weitere Schergen des »Weißen« nach Ah Kin Pech gekommen und bewegten sich in der Stadt wie die Maden im Speck. Sie raubten, plünderten, vergewaltigen – ohne dass die Ah Ahauals Volk es wagte, gegen sie vorzugehen. Nicht, solange der Kazike und seine Familie in der Gewalt des Feindes waren.
    Mehrere Tage brauchte Ts’onot, um die Verstecke aufzusuchen. Und jedes Mal wurden die Fragmente der »Maschine« sofort von den Vasallen des »Weißen« weggeschafft.
    Schließlich, kaum noch bei Sinnen und am Ende seiner Kraft, verhielt Ts’onot vor dem letzten, dem fünften Versteck, in dem er das Herzstück der »Weltuntergangs-Maschine« verborgen hatte: den Himmelsstein, den er einst eigenhändig für den »Weißen«
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