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05 - Der Conquistador

05 - Der Conquistador

Titel: 05 - Der Conquistador
Autoren: Manfred Weinland
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deswegen!
    Er holte sie vor dem schweren zweiflügeligen Kirchenportal ein. »Was soll der ›liebe Gott‹ entscheiden?«
    »Ob wir da drinnen die Nacht verbringen oder nicht. Wenn das Tor offen ist, gehen wir rein. Wenn nicht, entscheidest du.«
    »Ein fairer Deal«, sagte er und dachte dabei: Die werden ja wohl nicht nur die Fenster vernagelt, sondern auch das Portal verrammelt haben.
    Maria Luisa nickte. In der Kühle der Nacht und im Licht der Scheinwerfer sah sie schöner aus denn je. Die Strapazen der vergangenen zwei Tage waren ihr in diesem Moment nicht anzusehen – und Tom ertappte sich dabei, dass dies eigentlich der perfekte Moment wäre, um sie zu küssen.
    Doch als würde Maria Luisa die »Gefahr« ahnen, wandte sie sich von ihm ab und der Tür zu.
    Sekunden später hörte Tom sie enttäuscht ausatmen. Nachdem sie gefrustet an der Pforte gerüttelt hatte.
    »Dann wäre das ja entschieden«, sagte Tom, machte auf dem Absatz kehrt und ging langsam zum Land-Rover zurück.
    »Warte!« Nach drei Schritten holte ihn Maria Luisas Stimme ein, so verändert in ihrem Tonfall, dass er einfach hinter sich blicken musste.
    »Du bist eine schlechte Verlie–«
    Weiter kam er nicht. Maria Luisa schwenkte triumphierend einen handspannenlangen, altmodischen Schlüssel in der Luft.
    »Wo hast du den jetzt her?«, fragte er verblüfft.
    Sie grinste. »Du wirst es nicht glauben – er steckte im Schloss«, gab sie zurück. »Ich würde sagen, jetzt ist es eindeutig.«
    »Ich gebe mich geschlagen«, seufzte Tom und mimte den Zerknirschten, obwohl er sich innerlich mit dem Gedanken, in einem festen Gebäude zu übernachten, längst angefreundet hatte.
    Sie drehte den Schlüssel im Schloss. Es knackte, dann zog Maria Luisa zog den rechten Türflügel auf. »Hereinspaziert!«
    8.
    Vergangenheit
    Boten aus den umliegenden Städten brachten Kunde von Fremden in riesigen Schiffen, die alle Gegenwehr scheinbar mühelos niedergerungen hatten.
    »Ihre Waffen grenzen an Zauberei«, gab Ah Ahaual an seinen Sohn weiter, was ihm zugetragen worden war. »Genau wie in deiner Vision. Alles ist genau wie in deiner Vision, und deshalb zweifele ich nicht daran, dass auch der falsche Gott dahintersteckt.«
    »Das sind schlimme Nachrichten«, sagte Ts’onot. »Wo befinden sich die Feinde gegenwärtig?«
    »Nicht mehr weit von Ah Kin Pech entfernt. Ich habe eigene Kundschafter ausgeschickt und erwarte ihre baldige Rückkehr.«
    »Du weißt, worauf sie es abgesehen haben.«
    »Die fremden Eroberer auf unser Gold. Und der ›Weiße‹ auf die Teile der ›Maschine‹«, sagte Ah Ahaual. »Aber du kennst unsere Krieger. Sie sind stark, zäh und treffsicher mit ihren Pfeilen und Speeren. Wir müssen uns nicht fürchten. Unsere großen Vorteile sind Ortskenntnis und Überzahl.«
    »Wie viele Feinde sind im Anmarsch?«
    »Die Angaben schwanken. Ich rechne mit nicht mehr als fünfzig, sechzig.«
    »So wenige?«
    »Sie machen ihre zahlenmäßige Unterlegenheit mit ihren Donnerstöcken wett.«
    Ts’onot war dennoch ein wenig beruhigt. Eine so geringe Zahl musste zu besiegen sein. Sie durfte nicht unterschätzt werden, aber sie war auch nicht zum Fürchten.
    Du vergisst deine Vision. Du vergisst, dass sie dich nicht grundlos überkam. Er wird nicht mit ehrlichen Mitteln kämpfen! Unterschätze ihn nicht!
    Ts’onot fühlte sich beschämt ob seiner leichtfertigen Gedanken. Nein, sie mussten mit dem Schlimmsten rechnen – und sie würden das fremde Heer nur mit Unterstützung der Götter besiegen können.
    Demut. Darin lag der Schlüssel.
    »Wie viele Kriegsgefangene der Tutul Xiu befinden sich zurzeit in unserer Gewalt?«, fragte Ts’onot.
    Ah Ahaual nannte die ungefähre Zahl, genau schien er es selbst nicht zu wissen. »Schlägst du vor, sie alle auf einmal den Göttern zu opfern, um uns ihrer Gnade zu versichern?«
    Ts’onot schüttelte den Kopf – und dann brachte er mit einem unerhörten Vorschlag seinen Vater aus der Fassung.
    »Wir sollen sie freilassen ?« In Ah Ahauals Augen flackerte es, als zweifle er am Verstand seines Sohnes. »Das kann nicht dein Ernst sein!«
    Doch Ts’onot blieb standhaft in seiner Meinung. »Wir dürfen uns nicht zu stark fühlen. Der ›Weiße‹ ist ein heimtückischer Gegner. Erinnere dich, mit welchen Lügen er uns manipulierte. Ich fürchte, allein werden wir den Donnerstöcken unterliegen. Wir brauchen Verbündete.«
    Ah Ahaual beruhigte sich ein wenig. »Ah … dahin geht dein Plan. An sich ist er durchaus
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