Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0479 - Eine Puppe aus Manhattan

0479 - Eine Puppe aus Manhattan

Titel: 0479 - Eine Puppe aus Manhattan
Autoren:
Vom Netzwerk:
Schloß.
    Phil und ich traten vor. Der Mann war verschwunden. Dafür gab es nur eine Erklärung. Er hatte Suzan Trenton mit den Händen zurückgestoßen, dann war er über die Schwelle getreten und hatte die Tür hinter sich geschlossen.
    Mit anderen Worten: er hatte sich gegen Suzan Trentons Willen mit Gewalt Einlaß verschafft.
    Phil und ich blickten uns um. Dann gingen wir auf die Tür zu. Im nächsten Moment hörten wir Suzan Trentons Hilferuf. Es war der Schrei eines Menschen in höchster Todesangst, schrill, vom Terror gepeitscht.
    Ich drückte auf den Klingelknop'f. Wir warteten nur eine Sekunde. Als sich nichts rührte, warfen wir uns mit voller Wucht gegen die Tür.
    Es war eine sehr solide Tür. Sie gab erst nach, als wir den fünften Anlauf genommen hatten. Krachend polterten wir mitsamt der aus den Scharnieren gerissenen Tür ins Wohnungsinnere. Ich ging zu Boden, war aber sofort wieder auf den Beinen.
    Die Küchentür stand offen.
    Suzan Trenton lag stöhnend auf dem Rücken. Ihre Hände umklammerten ein Messer, das in Höhe ihres Herzens steckte.
    Phil stürmte ins Wohnzimmer. Er riß den Telefonhörer von der Gabel und alarmierte die Polizei und die Ambulanz.
    Ich ließ mich neben ihr auf die Knie nieder. Ihre Augen waren weit aufgerissen, aber in ihnen zeichnete sich schon etwas von der glasigen Verschwommenheit ab, die dem Ende voraus geht.
    »Wer war es?« fragte ich sie.
    Das Mädchen bewegte die Lippen. Ich versuchte das, was sie sagen wollte, von ihrem Mund abzulesen, aber Suzan Trentons Lippen begannen plötzlich zu zittern, um kurz darauf zu erstarren. Jetzt waren ihre Augen nur noch glasig. Die Hände fielen kraftlos zur Seite. Suzan Trenton war tot.
    Ich erhob mich. Es fiel mir ziemlich schwer. Ich schob die Bitterkeit zur Seite, die mich erfüllte, und raste in die Küche. Der Mörder hatte nur einen geringen Vorsprung, Ich sah, daß das Fenster offen stand. Als ich den Kopf hinaussteckte, krachte es.
    Dicht neben mir klatschte eine Kugel in das Mauerwerk. Sie prallte ab und trudelte als Querschläger mit häßlichem Geräusch durch die Nacht.
    Schnell riß ich den Kopf zurück und hastete zum Lichtschalter. Ich knipste das Licht aus. Im Nu war ich wieder am Fenster. Die Feuertreppe war in Griffnähe. Ich hörte auf ihr das metallische Scheppern von Männerschuhen, die sich rasch nach unten hin entfernten. Ich schwang mich aus dem Fenster auf die Treppe. Vom Hof herauf ein klang ein dumpfes, schweres Geräusch. Der Mörder hatte mit einem Sprung auf den Hofasphalt die erste Etappe seiner Flucht hinter sich gebracht. Ich sah, wie hinter einigen Fenstern Licht aufleuchtete. Eine schrille Männerstimme wurde hörbar. »Hat jemand geschossen?« Ich kletterte zurück in die Küche und prallte mit Phil zusammen. »Er hat den Hof erreicht«, sagte ich schnell. Phil stellte keine Fragen. Er raste aus der Wohnung und auf den Lift zu.
    Ich blieb neben der Toten stehen. Ihr Gesicht sah nicht so friedlich aus, wie man es von Toten erwartet. Auf ihm ruhte noch ein Abglanz des Terrors, der sie in den letzten Sekunden ihres Lebens geschüttelt hätte.
    Ich warf einen Blick in das Wohnzimmer. Das Lexikon lag noch immer auf dem Tisch. Dann schaute ich ins Bad. Mein Blick wude magisch von dem Goldbarren angezogen, der auf der Waage lag.
    Ich berührte ihn mit der Fußspitze und las dann das Gewicht ab. Der Barren war echt.
    Ich wußte jetzt, warum Suzan Trenton ermordet worden war. Der Mörder hatte allerdings keine Zeit mehr gefunden, das Gold an sich zu nehmen.
    Vor der Tür tauchte eine ältere, hagere Frau auf. Sie hatte sich eine Kittelschürze über das lange, geblümte Nachthemd gestreift. In ihrem Haar bemühte sich ein Dutzend Lockenwickler darum, die Frisur für den nächsten Tag zu legen. Im Augenblick sah sie allerdings schreckenerregend aus. Der Schrei, den sie beim Anblick der Toten ausstieß, paßte dazu. Zum Glück tauchte in diesem Moment Phil auf.
    »Nun?« fragte ich ihn.
    »Fehlanzeige!« sagte er wütend. »Ich hörte nur noch das Heulen eines Wagenmotors.«
    »Waren Leute auf der Straße?«
    »Das einzige Lebewesen, das sich in der Nähe befand, war ein streunender Hund. Der hatte seinen schweigsamen Tag.«
    »Ich habe den Mörder gesehen«, sagte ich leise und versuchte, mir die Details seines Äußeren zu vergegenwärtigen. Es war nicht ganz leicht. Was blieb, war die Erinnerung an einen mittelgroßen, durchschnittlich gekleideten Mann, der mir nicht einmal sein Gesicht gezeigt hatte.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher