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047 - Die letzten Tage von Riverside

047 - Die letzten Tage von Riverside

Titel: 047 - Die letzten Tage von Riverside
Autoren: Jo Zybell
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Matt gehörte in eine andere Zeit, und dass sein Lebenslauf fünfhundertvier Jahre einfach übersprungen hatte - in Bruchteilen von Sekunden einfach so übersprungen -, das konnte der ehemalige USAF-Pilot nicht einmal sich selbst erklären.
    Manchmal, wenn Matt darüber nachgrübelte, musste er unwillkürlich lachen.
    Vielleicht hätte er auch diesmal zumindest geschmunzelt, aber Aruula hatte noch in anderer Hinsicht Recht: Wer garantierte, dass Geier noch immer Aasfresser waren? Niemand.
    In einer Welt, in der man auf Heuschrecken reiten und Libellenlarven an Spießen braten konnte, niemand.
    »Okay.« Matt zog seinen Driller. »Warten wir, bis die Sonne aufgegangen ist, dann probieren wir es aus.« Er überprüfte das Magazin der Waffe - auch so ein Ding, das es zu seiner Zeit noch nicht gegeben hatte. Er hatte sie einem toten Agenten des Weltrats abgenommen. Noch wenig mehr als zwei Dutzend Kleinkaliber-Explosivgeschosse steckten im Magazin. Er würde sparsam damit umgehen müssen, über ein Ersatzmagazin verfügte er nicht.
    Eine halbe Stunde später etwa war es so hell, dass man die Stacheln in den Furchen der Kakteen sehen konnte. Stacheln so lang wie Unterarme. Ein kräftiger Wind blies von den Bergen im Westen her, feucht und kühl, und das Dornengestrüpp am Hang schüttelte sich. Unablässig zogen die Kondore ihre Kreise hoch über dem Kakteenhain. Träge bewegten sie ihre Schwingen. Es gab keine Thermik, von deren Auftrieb sie sich tragen lassen konnten; natürlich nicht, keine Sonne erwärmte die Luft um diese Zeit.
    Aruula und Matt hatten ihre Sachen in die Felle und Decken gerollt. »Versuchen wir es.« Matt warf sich sein Bündel über die Schulter und stand auf. Den Driller in der Rechten, blickte er zu den Geiern hinauf. Er traute dem Frieden nicht. Aruula schnallte sich die leere Schwerthalterung auf den Rücken. Mit gezogener Klinge ging sie zwischen den Kakteen hindurch. Der blonde Mann aus der anderen Zeit folgte ihr.
    Sie ließen die Greife nicht aus den Augen. Und - Matt registrierte es sofort - sie blieben im Zentrum ihrer Kreise. Die Vögel folgten ihnen also.
    »Sie belauern uns, merkst du es?« Aruula stemmte die Faust in die Hüfte und schulterte das Schwert.
    »Aber sie greifen nicht an.« Matt hob und senkte den Driller. Als könnte er sich nicht entscheiden, ob er ihn wegstecken oder auf die Vögel richten sollte.
    »Noch nicht«, sagte Aruula. »Wenn es stimmt, dass sie Aasfresser sind, müssen sie uns für sichere Todeskandidaten halten.«
    Aruulas Schlussfolgerung verschlug Matt die Sprache. Zum Henker - sie hatte Recht! Wussten oder sahen die Biester dort oben etwas, was sie hier unten noch nicht wussten oder sahen?
    Sie ließen die Stachelsäulen der Kakteen hinter sich und liefen einen Geröllhang hinunter. Bei den Dornbüschen an dessen Ende bleiben sie kurz stehen, blickten zu den Kondoren hinauf, gingen weiter, blickten wieder hinauf. Vier-, fünfhundert Meter legten sie auf diese Weise zurück, doch die Vögel machten keine Anstalten, sie anzugreifen. Sie blieben aber direkt über ihnen.
    Der Nachthimmel erblasste mehr und mehr, die letzte Schwärze wich dem jungen Tag.
    Meile um Meile brachten die einsamen Wanderer hinter sich. Geröll wechselte sich ab mit Kakteentürmen, bräunlichen Flechten und gelbem Gras. Sie gewöhnten sich allmählich an die Begleitung der Todesboten hoch über ihnen. Man gewöhnt sich an alles.
    Oder an fast alles - die meist geschlossene Wolkendecke empfand Matthew Drax auch nach fast zwei Jahren in der fremden Zeit noch als unnatürlich.
    Die San Bernardino Mountains rückten näher. Matt änderte den südlichen Kurs. Sie marschierten westwärts. Und die Geier folgten ihnen. Im Norden ragte ein Mittelgebirge aus der Wüste. Das konnte nur der Ord Mountain sein, obwohl Matt ihn höher und weniger zerklüftet in Erinnerung hatte. Im Süden türmten sich die über dreitausend Meter hohen San Bernardino Mountains auf. Und dahinter, weiter westlich, die San Gabriel Mountains.
    Die Zunge klebte Matt am Gaumen. Der Durst brannte wie Fieber. Seine Beine waren schwer.
    Wenn irgend möglich, wollte er eine Überquerung der Berge vermeiden. Zwischen den San Bernardino und den San Gabriel Mountains führte eine Schneise in das Becken von Los Angeles hinein. Früher jedenfalls, » in seiner Zeit « war das so gewesen. Die Interstate
    15 verlief dort. Vielleicht existierten noch Überreste der Highway-Trasse. Außerdem gab es Gewässer zwischen dem Ord Mountain
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