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047 - Die letzten Tage von Riverside

047 - Die letzten Tage von Riverside

Titel: 047 - Die letzten Tage von Riverside
Autoren: Jo Zybell
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hatten sich um Papz Zsatar versammelt. Er lag am Boden, hinter ihm der umgestürzte Wagen mit dem Gelege. Die. Eier waren überall im Gras verteilt. Und nirgends schimmerte das grüne Licht.
    Die Stille in der Wagenburg bedrückte Matt. Niemand grunzte, niemand schnalzte oder zischte. Alle waren sie wie gelähmt. Papz Zsatar zitterte. Schleim triefte aus seinem Rachen. Eine Wunde klaffte in seinem Schädelkamm. Blut strömte über sein Reptiliengesicht. Statt des linken Arms bewegte er einen mit blutgetränktem Stoff verbundenen Stumpf.
    »Schrecklichkeit«, schnarrte er. »Schreck- lichkeit solcher Feinde…«
    Matts Blick flog zwischen ihm und den Eiern hin und her. »Was ist geschehen?«
    »Diebstahl unseres Gottes. Raub von Tamurzartan.«
    Im Morgengrauen brachten Aruula und drei Drakullen einen Toten in die Wagenburg.
    Einen der Schwarzvermummten. »Sie benutzen diese Schwerter hier.« Aruula reichte Matt die Waffe.
    Er betrachtete den Toten. Klein und drahtig wirkte sein Körper. Und das Gesicht war das eines Asiaten. Wie der Angehörige einer Kriegerkaste aus Japans Antike sah er aus.
    ***
    Riverside, Kalifornien, 8. Februar 2012
    Überall zwischen den Büschen saßen Menschen. Einzeln, paarweise, in Gruppen. Ein Stück unterhalb des Baumes, in dessen Schatten sie sich niedergelassen hatten, erkannte Simon seine Nachbarn: Colin trank aus einer Flasche, Kathleen lehnte gegen ihn und barg ihren Kopf an seiner Brust.
    Die Küste war von hier aus nicht zu sehen. Aber die verschwommene Skyline von Los Angeles und die Smogglocke über der Stadt. Und unter ihnen, hingestreut am Fuß des Hangs, viele Häuser und Gehöfte. Die östlichsten Vororte von San Bernardino.
    Es war früher Morgen; hinter ihnen im Osten ging gerade die Sonne auf. Sie waren in die Hänge der San Bernardino Mountains gezogen, drei- bis vierhundert Menschen. Irgendjemand hatte damit angefangen. Simon konnte selbst nicht sagen, warum er und Eve sich Colin und seiner Tochter angeschlossen hatten. In die Berge flüchten - vielleicht ein archaischer Instinkt.
    »In Europa ist es jetzt 16 Uhr 40«, sagte Eve.
    »Und bei Liz an der Ostküste 10 Uhr 40.« Sie dachte an Matt, an wen sonst? »Ich weiß, dass er es schaffen wird.«
    Simon antwortete nicht, er nickte nur. Etwas schnürte ihm die Kehle zu. Auch er dachte an Matt. Daran, dass sein Sohn jetzt irgendwo dort oben in dreißigtausend Fuß Höhe mit seinem Jet durch die Stratosphäre flog und beobachtete, wie Interkontinentalraketen auf dem Kometen einschlugen. Und, er fragte sich, was ihn so sicher machte, dass Matt es überleben würde. Wahrscheinlich der Wunsch.
    Sein heißer Wunsch, dass Matt doch bitte, bitte leben sollte.
    Gebete erklangen von allen Seiten. Manche Menschen sangen auch. Es war ergreifend.
    Simon legte den Arm um seine Frau und hielt sie fest.
    Wenige Minuten später erschien ein rötlicher Schimmer am westlichen Horizont. Als würde die Sonne dort ein zweites Mal aufgehen. Aber die Sonne ging jeden Tag nur einmal auf, und zwar im Osten. Gelbrote Finger wuchsen in den Morgenhimmel, bis er sich ganz und gar Orange gefärbt hatte. Eine Sache von wenigen Sekunden war das.
    Die Gebete und Lieder verstummten. Simon zog Eve an sich und küsste sie auf den Mund.
    Ein letztes Mal. »Ich liebe dich«, sagte er.
    »Ich liebe dich«, antwortete sie.
    Wind kam auf, Westwind. Simon Drax war sich nicht sicher, ob das Grollen, das er zu hören glaubte, nur Einbildung war. Bekam man mit, wenn auf der anderen Seite der Erdkugel die Welt unterging?
    Die Folgen zumindest wurden bald sichtbar. Eine dunkelblaue Wand wuchs in das leuchtende Orange des Himmels hinein. Höher und höher stieg sie. Der Wind blies heftiger, schwoll zum Sturm an, zum Orkan. Gewaltiges Tosen donnerte den Berghängen entgegen.
    Die Wand wuchs, ihr Blau schimmerte jetzt heller, und ein Gebirge von weißem Schaum tanzte auf ihrer Krone. Der Pazifik hatte sich aufgebäumt und rollte auf Los Angeles zu.
    Nun war das Grollen keine Einbildung mehr, und auch das Beben der Erde gewann mit jeder Sekunde an Intensität.
    Simon stützte sich mit der Linken im Gras ab, damit der Sturm in nicht umwerfen konnte. So lange wie möglich wollte er sehen, so lange wie möglich aufrecht sitzen, bis zum letzten Atemzug. Eve klammerte sich an ihm fest.
    »Pass auf dich auf, mein Sohn«, murmelte er.
    ***
    Muniport, November 2517
    Ein Ei nach dem anderen brach auf. Schleimverschmierte Echsen krochen heraus. Manche taumelten über die blauen
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