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0457 - Heiße Sehnsucht nach Sing-Sing

0457 - Heiße Sehnsucht nach Sing-Sing

Titel: 0457 - Heiße Sehnsucht nach Sing-Sing
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gegenüberliegenden Hauses turnte ein Cop mit einem Gewehr herum. Er legte an und schoß. Ich fragte mich noch, was sein Manöver zu bezwecken hätte, da erstarb mit einem kläglichen Winseln die Alarmsirene über unseren Köpfen.
    »Schlagt sie alle tot!« kreischte plötzlich jemand.
    In der vordersten Reihe stand ein Neger, der offenbar randvoll mit Whisky oder Gin angefüllt war. Er mochte an die dreißig Jahre alt sein. Mit rhythmisch zuckendem Oberkörper brüllte er immer und immer wieder seine wahnsinnige Aufforderung uns und dem Captain entgegen. Er war gut einen Kopf größer als der Polizeioffizier, und in seinen dunklen Augen stand der irre Glanz der Hysterie.
    »Halt den Mund, Ben!« gellte Hensleys helle Stimme gegen den dumpfen Baß an.
    »Schlagt sie tot! Schlagt sie tot! Schlagt sie tot!« brandete es zurück.
    »Die hält keiner mehr auf!« hörte ich Kenston in meinem Rücken mit heiserer Stimme hervorstoßen.
    Der Captain tat einen Schritt nach vorn. Er holte aus und schlug dreimal mit der flachen Hand zu, daß es klatschte. Ich schloß die Augen. Jetzt war es soweit.
    ***
    Zum zweiten Male hatte Lionel Batters die Hunde in seinem Versteck kläffen hören, als das Aufgebot des Sheriffs und der State Police das Gelände noch einmal absuchte. Und wieder hatte Batters Glück. Niemand hielt es im Ernst für möglich, daß der entflohene Häftling sich keine fünfzig Schritte von der Stelle entfernt aufhalten könnte, wo er einen Wärter ermordet hatte. Das Gekläff der Spürhunde entfernte sich, und nur nach ungefähr einer Stunde hörte er noch einmal das Schwirren der Hubschrauber. Dann wurde es still. Wegen der allgemeinen Aufregung hatte man die Sträflinge aus dem Steinbruch ins Zuchthaus zurückgeführt, so daß auch der Lärm der Arbeit in dieser einsamen Gegend verstummt war.
    Batters wartete so lange, bis er sicher zu sein glaubte, daß keine dritte Suchaktion unternommen würde. Dann schob er ächzend den Felsbrocken beiseite und kletterte vorsichtig heraus. Er schirmte die Augen mit der flachen Hand gegen die Nachmittagssonne ab und sah sich um.
    Im Glast der warmen Frühherbstsonne lagen Felsen und verwittertes Geröll. Weit und breit war kein Lebewesen zu entdecken —- bis auf einen Geier, der hoch droben am blauen wolkenlosen Himmel in majestätischer Ruhe seine Kreise zog.
    Der entwichene Sträfling wußte genau, was er zu tun hatte. Er machte sich auf den Weg und erreichte nach einem Fußmarsch von knapp zwanzig Minuten die abgelegene Farm der Cambers’, die das Zuchthaus täglich mit Milch und nach jeder Ernte mit frischem Gemüse versorgten. Er schlich sich geduckt und mit äußerster Vorsicht im Schutze eines kleinen Wäldchens an die Seitengebäude heran. Im Unterholz am Waldrand ging er in Deckung und beobachtete das geruhsame Treiben auf der Farm.
    Die Stalltür zu den Schweinen stand weit offen. Vor dem Hauptgebäude parkte ein Wagen aus der Gruppe von Fahrzeugen, die dem Sheriff und seinen Gehilfen zur Verfügung standen. Lionel Batters rieb sich die Hände. So ungefähr hatte er es sich gedacht. Der Sheriff hatte einen Mann bei den Cambers zurückgelassen, zu deren Schutz natürlich — aber damit hatte Batters nicht nur gerechnet, er hatte es geradezu erhofft.
    Was er vorhatte, würde nicht einfach sein. Aussicht auf Erfolg hatte er nur, wenn er mit der größten Umsicht und Kaltblütigkeit vorging. Wenn der Mann aus dem Büro des Sheriffs Batters erblickte, mußte er ihm schon so nahe sein, daß Batters ihn anspringen konnte. Sah er ihn vorher, war alles vorbei. Jede Kugel ist auf einer Distanz von auch nur drei Yard schneller als der schnellste Sprinter.
    Batters schlich an der Rückwand der Stallungen entlang bis zu dem offenstehenden Fenster des Schweinestalls. Er richtete sich auf, hob den Kopf und lauschte. Eine kindliche Stimme drang an sein Ohr. Batters preßte vor Aufregung die Lippen zusammen, bis sie nur noch zwei blutleere scharfe Striche waren.
    Nach einiger Zeit wagte er es und zog sich an den Händen hoch, so daß er durch das offenstehende Fenster blicken konnte.
    Der Stall war unterteilt in quadratische Boxen. In jeder lag eine Muttersau mit einem Wurf von Ferkeln. Der Dunst von Stalldung und Stroh kitzelte seine Nase. Ein neun- oder zehnjähriges Mädchen wanderte einsam durch die Gänge zwischen den Boxen und zählte sehr ernsthaft die jungen Tiere. Sie wandte Batters und dem Fenster den Rücken zu.
    Schon wollte sich Batters wieder hinablassen, als
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