Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0457 - Heiße Sehnsucht nach Sing-Sing

0457 - Heiße Sehnsucht nach Sing-Sing

Titel: 0457 - Heiße Sehnsucht nach Sing-Sing
Autoren:
Vom Netzwerk:
Diesem Mann hätte er niemals weismachen können, daß er etwa büßen wollte oder einen ähnlichen Schmus. Also blieb ihm nur übrig zu schweigen und den anderen im unklaren zu lassen. Mochten sie sich den Kopf zerbrechen, die Hauptsache, sie fielen eines Tages auf seine sanfte Tour herein.
    Sie mußten darauf hereinfallen. Jedes Zuchthaus hat seine Regeln, seine Hausordnung und seine Dienstvorschriften für den Strafvollzug. Nach einer gewissen Zeit mußten sie ihn bei seiner erstklassigen Führung zwangsläufig in die Gruppe derer einreihen, die kleine Vergünstigungen genossen. Und schließlich mußten sie ihn auch mit zum Außenkommando abstellen. Und genau das und nichts anderes war von Anfang an sein Ziel gewesen.
    Freilich ging er auch jetzt noch nicht ungeduldig vor. Er überstürzte nichts. Er blieb bei seiner bisherigen Taktik und hielt lediglich die Augen offen. Bis er den Felsspalt gefunden hatte und sich über alles andere klargeworden war. Da zeigte er schlagartig, was sein Gehorsam, seine Demut, seine Unterordnung in Wirklichkeit gewesen waren: Berechnung und mit Ausdauer verfolgte Täuschung.
    Es wäre genug gewesen, den Sergeanten zu betäuben, um fliehen zu können. Aber nein. Auf diesen Augenblick hatte Lionel Batters ja wochen- und monatelang gewartet, auf den Augenblick, da er dem angestauten Zorn und dem angesammelten Haß die Schleusen öffnen konnte. Nun war die Stunde gekommen, daß er auf nichts und auf niemanden mehr Rücksicht zu nehmen brauchte. Also schlug er dem Sergeanten mit der Spitzhacke den Schädel ein.
    »Wer hat recht behalten?« fragte der Direktor erbittert. »Er wollte uns aufs Kreuz legen, und er hat es geschafft! Gnade Gott' den Menschen, die diesem Verbrecher jetzt über den Weg laufen!«
    ***
    Wie gesagt, wir standen vor den Schaufenstern eines Juweliergeschäfts.
    Als es plötzlich neben mir krachte, drehte ich, mich schnell um. Hoch über unseren Köpfen gellte eine Sirene. Aber mir war auf den ersten Blick hin klar, was die Sirene ausgelöst hatte: Einer der neben uns stehenden Neger mußte im Gedränge das Gleichgewicht verloren haben und war mit dem Rücken in die Schaufensterscheibe des Juweliergeschäfts gestürzt. Natürlich war das Fenster an eine Alarmanlage angeschlossen.
    Scherben prasselten pfundweise auf die Straße. Ich packte zu und ergriff den armen Kerl am Arm, um ihm aus dem Fenster herauszuhelfen. Dabei hörte ich Phil rufen:
    »Sergeant, los, pfeifen Sie! Wir brauchen Verstärkung!«
    »Danke, Sir«, stotterte der Neger und tastete im Genick herum.
    »Drehen Sie sich herum«, sagte ich.
    Er hatte im Genick einen langen spitzen Glassplitter stecken. Ich zupfte ihn und zwei weitere kleine heraus. Während ich damit beschäftigt war, verbarrikadierten Phil und der Sergeant die zerbrochene Scheibe, um lange Finger vor der günstigen Gelegenheit abzuschrecken. Zugleich pfiff der Sergeant immer wieder seine Signale, um die in der Menge verstreuten Cops heranzurufen.
    »Da haben Sie Glück gehabt«, brummte ich. »Sie hätten sich schlimmere Verletzungen zuziehen können. Wie ist denn das passiert?«
    Er zuckte die Achseln. Viel älter als zwei- oder dreiundzwanzig Jahre konnte er nicht sein. Mit dem Taschentuch tupfte er sich das Blut auf, das ihm am Hals herunterlief.
    »Jemand muß mich gestoßen haben«, erklärte er. »Es ging so schnell, daß ich gar nicht kapierte, was geschah. Auf einmal saß ich da im Fenster.« Er warf einen Blick über die Schulter. Plötzlich grinste er :
    »Haben Sie schon einmal auf lauter Gold und Edelsteinen gesessen?« fragte er und wollte sich in die Menge schieben.
    »Stop, mein Junge«, rief ich schnell und erwischte ihn noch am Ärmel. »Sie werden sich mit dem Besitzer irgendwie über die Scheibe einigen müssen.«
    Er zerrte ungeduldig.
    »Lassen Sie mich los! Was geht Sie das eigentlich an, he? Sie sollen mich loslassen! Ich rufe meine Freunde! Wollen Sie hier Stunk machen? Ich kann nichts dafür, daß mich jemand gestoßen hat! Lassen Sie mich los, Sie! Oder Sie kriegen eine Tour!«
    Es war eine verrückte Szenerie. Hoch über unseren Köpfen hallte das dumpfe Tuten der Alarmsirene. Dazwischen gellten die hysterischen Schreie einiger Frauen, die erschrocken waren und einfach drauflosbrüllten. Und selbst in dieses Lärmkonzert hinein quarrte noch immer aus den zahllosen, an den Hauswänden aufgehängten Lautsprechern die Stimme Welshires, der offenbar durch nichts zu erschüttern war.
    Allmählich fanden sich die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher