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0456 - Der Geisterseher

0456 - Der Geisterseher

Titel: 0456 - Der Geisterseher
Autoren: Werner Kurt Giesa
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tiefstem Herzen. Wie kann man nur mit so wenig Personal ein auch nur halbwegs menschenwürdiges Dasein fristen? Schaut Euch das Schloß doch an! So viele ungenutzte Zimmer! Allein im rechten Seitentrakt könntet Ihr ein ganzes Wachbataillon einquartieren, von ein paar Dutzend Lakaien und Zofen einmal ganz abgesehen.«
    »Seht Ihr, wir brauchen so viele Leute nicht«, sagte Zamorra. »Sie wären einfach nicht ausgelastet. Da wir fast ständig unterwegs sind, vielleicht dreißig oder vierzig Tage im Jahr mal wirklich zu Hause…«
    »Papperlapapp!« unterbrach ihn der Don. »Nicht ausgelastet! Das ist hanebüchener Unsinn. Laßt mich das in die Hand nehmen, ich besorge Euch jede Menge Personal, und ich wüßte auch schon, wie ich es beschäftigen würde.«
    Zamorra wehrte mit erhobenen Händen lachend ab. »Erst einmal wüßte ich etwas, womit ich Euch beschäftigen würde. Da Euer Haus- und Hofzauberer die Sache mit der Rückkehr in Eure Zeit wohl auf längere Sicht nicht in den Griff zu bekommen scheint, müssen wir uns wohl auf einen längeren Aufenthalt Eurer werten Persönlichkeit hier einstellen. Was Ihr daher dringend braucht, ist Kleidung. Meine paßt Euch ja leider nicht.« Er zupfte an seinem Hosenbund.
    »Da sagt Ihr ein wahres Wort«, dröhnte der knollennasige Don Cristofero. »Laßt ein paar Schneider kommen. Die sollen einige Ballen der erlesensten Tuche und Seidenstoffe herbeibringen, so daß ich eine Auswahl treffen kann.«
    »Ich hatte mir das eher ein wenig anders vorgestellt«, sagte Zamorra. »Es dürfte einfacher sein, wenn wir in die Stadt fahren, uns in den Geschäften umsehen und einkaufen, was benötigt wird - und das dürfte eine ganze Menge sein -, als einen Schneider herzubitten.«
    »Herzubefehlen, mein Lieber!« entfuhr es dem Grande. »Mich dünkt, Ihr habt nicht die rechte Art, mit dem Gesinde umzugehen. Und was überhaupt, nur ein Schneider? Caramba , wie lange soll ich denn dann auf meine neue Kleidung warten? Ich brauchte neue Beinkleider, ein paar Dutzend Hemden, seidene Strümpfe…«
    »Mal langsam«, warnte Zamorra. »Das regeln wir, wenn wir im Geschäft sind. Kommt, wir fahren in die Stadt.«
    »Das ist wirklich notwenig?« Don Cristofero rümpfte die Nase.
    »Ihr werdet sehen, es ist ein erlebenswertes Abenteuer«, behauptete Zamorra. Er zog Cristofero hinter sich her. Kurz dachte er an Nicole, die noch schlief; der Vormittag war nicht ihre Zeit. Seine eigene an sich auch nicht; beide hatten sich im Laufe der Zeit an die ›Jagdzeit‹ ihrer dämonischen Gegner gewöhnt und waren zu Nachtmenschen geworden, die dafür einen Teil des Tages verschliefen. Dazu kam, daß Nicole gestern bis spät in die Nacht ihrer Arbeit als Zamorras Sekretärin nachgegangen war und eine Menge aufgelaufener Post bearbeitet hatte. Entsprechend müde war sie schließlich. Zamorra war das heute ganz recht. Der Einkaufsbummel mit Don Cristofero würde schon nervenaufreibend sein; wenn Nicole ebenfalls noch eine Mode-Einkaufsorgie starten würde, was sie mit besonderer Vorliebe zu tun pflegte, würde Zamorra anschließend oder schon während des Einkaufs einem Nervenzusammenbruch entgegeneilen.
    Deshalb hatten sie am vergangenen Abend abgesprochen, daß Zamorra allein versuchen wollte, Don Cristofero mit nach Roanne zu schleppen, wo es die besseren Einkaufshäuser gab und auch Zamorra sich einzudecken pflegte.
    Draußen stand der silbergraue 735i. Raffael Bois, als langjähriger Diener der ›gute Geist des Hauses‹, hatte den Wagen schon mal aus der Garage geholt, die in früheren Zeiten der Pferdestall gewesen war. Don Cristofero beäugte das Auto mißtrauisch. Anhand der vielen Räder konnte er es ja zwar als Wagen identifizieren, aber: »Sagt, Professor, wo um alles in der Welt wollt ihr denn die Pferde anschirren lassen? Dieser Karren hat ja nicht einmal eine vernünftige Deichsel!«
    »Braucht er auch nicht. Er fährt ohne Pferde. Ihr werdet sehen.«
    »Unsinn!« fauchte Don Cristofero. »Ihr beliebt zu scherzen. Kein Wagen fährt ohne Pferde, und Ihr wollt doch damit nicht etwa andeuten, daß Ihr gar Esel oder Ochsen anspannen lassen wollt! Nein, das…«
    »Nun haltet freundlicherweise mal den Mund und steigt ein!« fuhr Zamorra ihn an. Er öffnete die Beifahrertür. »Vorn habt Ihr am besten Platz. Aber tut mir den Gefallen und laßt Euren Zahnstocher hier, ja?«
    »Meinen was, bitte?«
    »Den Degen!« erklärte Zamorra. »Dieses Ding, mit dem Ihr zuweilen in der Luft herumfuchtelt und Fliegen
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