Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0456 - Der Geisterseher

0456 - Der Geisterseher

Titel: 0456 - Der Geisterseher
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
festliche Anlässe?«
    »Alltag«, schränkte Zamorra sofort ein. Weil es in der nächsten Zeit erstens keine größeren Festivitäten im Château gab und es dort zweitens stets recht rustikal zuging, war ein Smoking entbehrlich.
    Der Angestellte erwiderte das Lächeln. »Die Figur dürfte möglicherweise etwas problematisch sein«, sagte er. »Aber ich denke, das bekommen wir hin. Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Monsieur…«
    Zamorra konnte es nicht mehr verhindern. Don Cristofero erhob seine Stimme zu donnerndem Gebrüll, forderte eine respektvolle Anrede, wie es ihm gebühre, verlangte nach dem Chef des Hauses und lehnte es unmißverständlich ab, sich von unteren Chargen dämlich anquatschen zu lassen! Zamorra glaubte sich verhört zu haben - der Don hatte tatsächlich ›dämlich anquatschen‹ gesagt! Der Himmel mochte wissen, wo er den Ausdruck aufgeschnappt hatte, um ihn jetzt folgerichtig zu verwenden. Der Angestellte erblaßte, starrte völlig konsterniert erst Don Cristofero und dann Zamorra an und versuchte dann etwas zu sagen. Aber der Grande ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Hole er den Herrn dieses Hauses, aber schnell!« brüllte er. »Ich werde mich beschweren! Und ich mache Ihm Beine, wenn Er nicht sofort gehorcht…«
    Die anderen Kunden und Angestellten schauten der Szene teils bestürzt, teils amüsiert zu. Gleich zwei Angestellte näherten sich, um den so aufgebrachten wie seltsamen Kunden zu beruhigen und höflich, aber mit Nachdruck zur Tür hinaus zu drängen; Auftritte dieser Art waren hier nicht gerade gern gesehen. Auch wenn's eine Premiere war.
    Zamorra legte dem leicht untersetzten Grande die Hand auf die gepolsterte Schulter und drückte schwer zu. »Mein Freund und Ahnherr«, sagte er schneidend. »Ihr befindet Euch nicht mehr in Eurer Zeit und solltet Euch an die hier gültigen Spielregeln halten, oder, bei Merlins hohlem Backenzahn, ich fahre mit Euch im Hochsommer Schlitten, daß Ihr nicht mehr wißt, ob Ihr Männlein oder Weiblein seid! Wir sind hier, um einzukaufen, nicht um den arroganten Großgrundbesitzer und königlich-höfischen Oberschmarotzer herauszukehren! Ihr habt nicht Eure Leibeigenen vor Euch.«
    »Was sehr bedauerlich ist«, knurrte Don Cristofero. »Auspeitschen lassen würde ich sie. Eine Frechheit, mir so gegenüberzutreten. Unbotmäßigkeiten gehören…«
    »Ruhe«, sagte Zamorra. Er lächelte die Angestellten an. »Entschuldigen Sie, aber mein Freund probt für einen Theaterauftritt. Kommt ganz echt 'rüber, ja?«
    »Sicher, Monsieur«, murmelte der verschreckte Angestellte, der den Chef hatte holen sollen. Was er dachte, konnte Zamorra deutlich erkennen. Seine schwachen telepathischen Fähigkeiten reichten dazu mehr als hinreichend aus: Der Kerl gehört in eine Heilanstalt!
    Immerhin besaß Don Cristofero genug Disziplin, sich zur Ruhe zu zwingen und nicht den Degen zu zücken, um sich mit der flachen Klinge prügelnd den erwünschten Respekt zu verschaffen, wie er es zu seiner Zeit zu tun gewohnt war, wenn wer nicht richtig spurte. Aber mit dem, was ihm an Kleidung angeboten wurde, war er unzufrieden.
    Viel zu bunt. Viel zu schlicht. Kleidung für die Bauern und Tagelöhner, aber wer erlaubte denen, so schreiende Farben zu tragen, die den höheren Gesellschaftsschichten zustanden? Dazu Farben, die Don Cristofero teilweise gar nicht kannte, weil es sie zu seiner Zeit nicht gegeben hatte. Vor allem aber: stets viel zu schlicht. Wortreich begann er zu beschreiben, wie er es gern gehabt hätte.
    Der Angestellte schüttelte den Kopf.
    »Das tut mir leid, Monsieur«, sagte er entschieden. »Wenn Sie Theaterkostüme wollen oder als Zirkusdirektor in die Manege treten möchten, sind wir nicht die richtige Adresse für Sie! Da sollten Sie sich an einen guten Schneider wenden.«
    »Sagte ich doch von Anfang an!« grollte Don Cristofero, an Zamorra gewandt. »Aber Ihr wolltet ja nicht auf mich hören, und was haben wir nun davon? Verdruß, jämmerlichen Verdruß! Parbleu , wenn das der König sähe, er würde Euch… ach, lassen wir das. Lassen wie ein paar Schneider nach Château Montagne kommen! Jetzt aber nur fort von dieser ungastlichen Stätte!« Er drehte sich und riß mit dem Degen einen Kleiderständer um. Natürlich war nicht Don Cristofero daran schuld, sondern der dumme Lackel, der den Kleiderständer gerade dort plaziert hatte, wo der Don sich umzuwenden geruhte. »Seht ihr, Professor«, schimpfte er laut. »Wenn Ihr nicht am Personal gespart hättet und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher