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0456 - Der Geisterseher

0456 - Der Geisterseher

Titel: 0456 - Der Geisterseher
Autoren: Werner Kurt Giesa
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find's raus«, stieß Nicole mit geballten Fäusten hervor. »Und dann reiße ich dem Schuldigen den Kopf ab!« Der Ärger über die gewaltsame Weck-Aktion steckte sehr tief. Aktionen dieser Art vergaß Nicole nicht. Da hatte sie das Gedächtnis eines Elefanten und die rachsüchtige Geduld eines Krokodils. ›Krokofant‹ hatte sie deshalb einst eine Mitstudentin an der Harvard-Universität genannt, als Nicole noch drüben in den USA in einem Teil ihrer Ausbildung steckte.
    Sie warf dem zerstörten Bett noch einen bedauernden Blick zu. Hier würde so schnell nichts mehr laufen. Sie war froh, daß Zamorra und sie nicht nur dieses gemeinsame Schlafzimmer eingerichtet hatten, sondern jeder von ihnen auch noch einen eigenen Raum besaß. Es kam durchaus vor, daß man mal allein schlafen und Ruhe haben wollte. Bis dieser Schrott hier aufgeräumt und ein neues Doppelbett installiert war, würden sie nun ihre eigenen Zimmer benutzen müssen.
    Weiterer Grund zum Zürnen. Nicole haßte es, zu einer bestimmten Handlung gezwungen zu werden.
    Sie würde sich den Gnom vorknöpfen. Und wenn er wirklich für diesen verdammt faulen Zauber verantwortlich war, würde sie ihn entweder in den Swimmingpool werfen, ihn an der höchsten Burgzinne als Fahne am Mast wehen lassen oder ihm die Augen auskratzen. Auf jeden Fall würde er ein paar ungemütliche Stunden erleben, die nach jeweils sechzig Minuten garantiert noch nicht zu Ende waren. Nicole war in der Stimmung, der ganzen Welt den totalen Krieg zu erklären. Sie stürmte zur Tür, riß sie auf und prallte gegen die Ziegelmauer.
    ***
    Professor Zamorra benutzte die Rückfahrt über Neulise, Balbigny und Feurs dazu, Don Cristofero eine gehörige Standpauke zu halten und ihm ein paar Dinge über neuzeitliche Verhaltensweisen klar zu machen, die er ihm besser vor der mißglückten Einkaufstour nahegelegt hätte. Er gestand diesen Fehler auch offen ein.
    »Solange Ihr in unserer Zeit seid, Señor, werdet Ihr Euch unseren Gepflogenheiten anpassen müssen, ob Ihr wollt oder nicht«, sagte er. »Dazu gehören einige sprachliche Veränderungen bei der Anrede, dazu gehört das Verhalten an sich. Die hohe Zeit des Adels ist vorbei. Vor rund zweihundert Jahren erhob sich das Volk gegen König und Adel, führte die freiheitliche Selbstbestimmung ein, der König und unzählige Adlige und ihre Anhänger wurden geköpft, die Monarchie abgeschafft.«
    »Unfaßbar«, stieß Don Cristofero hervor. »Und dann?«
    »Kam Napoleon Bonaparte und wurde Kaiser.«
    »Na also«, sagte der Grande erleichtert. »Ich wußte doch, daß sie wieder zur Vernunft kommen mußten. Ein Land ohne einen König, das geht doch nicht. Wer soll das Volk denn regieren, wenn nicht der König oder der Kaiser?«
    »Das Volk regiert sich selbst.«
    »Aber das geht nicht«, stieß Don Cristofero ehrlich entsetzt hervor. »Dafür ist es doch viel zu dumm!«
    Zamorra nickte. »Wenn ich mir manchmal die Wahlergebnisse an schaue, möchte ich es fast auch behaupten«, murmelte er sarkastisch.
    Es war sein nächstes Eigentor, denn nun wollte der Grande wissen, was unter Wahlergebnissen und überhaupt unter einer Selbstregierung des Volkes zu verstehen war. Selbst nach eingehender Erläuterung war er nicht gewillt, die Demokratie als tragfähige Basis für einen Staat zu akzeptieren. »Schaut Euch die Völker der Antike an, die die Demokratie entwickelten und verfeinerten. Was geschah? Sie schafften die Monarchie ab, möglichst auch noch die Sklaverei - und heute gibt es sie nicht mehr. Ihre Staaten brachen zusammen, ihre Kulturen gingen unter.«
    Zamorra seufzte.
    »Ich glaube, um Euch vom Gegenteil zu überzeugen, werden wir uns noch sehr oft und sehr lange unterhalten müssen«, sagte er. Er ging dazu über, Don Cristofero weitere Verhaltensmaßregeln zu geben, um mit seinen Mitmenschen besser zurechtzukommen und nicht jede flapsige Anrede gleich als Unbotmäßigkeit und Beleidigung anzusehen. Cristofero hörte sich das alles an und schüttelte den Kopf.
    »Da seht Ihr, wohin das mit Eurer so hochgeschätzten Demokratie führt«, sagte er. »Die Sitten verrohen, das gute Benehmen geht verloren. Nein, Ihr braucht wieder einen König. Dieser… wie hieß er noch? Napoleon? Er muß ein kluger Kopf gewesen sein, daß er das erkannte und seine Ziele durchsetzen konnte.«
    »Deshalb hat man ihn auch auf eine einsame Insel verbannt«, versetzte Zamorra ihm den nächsten Dämpfer. »Allerdings auch erst, nachdem er die Nation in einen
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